Dieser Artikel wurde am 20. November 2012 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!
[singlepic id=1400 w=320 h=240 float=right]Ein steigendes Pferd übt einen ganz besonderen Glanz auf uns aus. Anmutig und kraftvoll erhebt sich das Pferd auf den Hinterbeinen auf leiseste Zeichen. Eigentlich kein Wunder also, warum diese Lektion für viele die Krönung ihrer Arbeit ist. Nahezu täglich flattern bei mir E-Mails herein, wie ich meinem Pferd das Steigen beigebracht habe.
Für mich als Trainerin eine schwierige Frage, denn ich kenne weder Pferd noch Mensch. Auch in meinen Kursen taucht diese Frage hin und wieder auf.
Meiner Meinung nach erfüllt das Steigen als „Trick“ keinen besonderen Zweck, außer spektakulär zu wirken und ggf. – sofern notwendig – das Pferd selbstbewusster zu machen. Der muskuläre Trainingsaspekt ist eher zu vernachlässigen, denn es gibt genügend effektivere Möglichkeiten, die Hinterhand zu trainieren, die weitaus weniger risikoreich sind. Vielmehr muss das Pferd schon vorher muskulär in der Lage sein, der Lektion überhaupt gerecht zu werden. Außerdem sollte das Pferd zuvor die zirzensische Ausbildungsskala „nach unten“ durchlaufen haben, also möglichst auch schon das Liegen beherrschen. Hiermit kann man etwaigen Übermut auch sehr gut „deckeln“ 😉 Es bietet sozusagen den Gegenpool zu den Lektionen „nach oben“.
Pferde, die ohnehin dazu neigen, distanzlos oder respektlos zu sein, Pferde die Lektionen gerne und häufig auch ungefragt zeigen oder bereits andere Lektionen gegen den Menschen einsetzen und insbesondere Kinder- und Schulpferde, sollten das Steigen nicht erlernen. Auch für Pferde, die allzu impulsiv oder übermäßig heftig reagieren ist die Lektion nur bedingt geeignet. Grundsätzlich muss man sich fragen, ob das Steigen als Lektion im Repertoire des Pferdes gut aufgehoben ist. Auch darf man nicht außer Acht lassen, dass bei einem späteren Verkauf des Pferdes ein gewisses Risiko mitverkauft wird. Auch das spätere Kommando zum Abrufen des Steigens muss so gewählt werden, dass es möglichst keinem weiteren Signal ähnelt und so unmissverständlich ist, dass ein versehentliches Abrufen ausgeschlossen werden kann.
Wer nun auf eine Schritt-für-Schritt Anleitung hofft, den muss ich enttäuschen. In diesem Artikel möchte ich eher auf Risiken und Gefahren, aber auch auf Perspektiven hinweisen.
[singlepic id=1396 w=320 h=240 float=left]Wie auch der spanische Schritt, der ebenfalls in meinen Augen keine Übung für „Jederpferd“ oder Anfänger ist, ist auch das Steigen eine aus dem natürlichen Aggressionsverhalten des Pferdes abgeleitete Lektion. Als offensiv dominante Geste, nutzt das Pferd sie um sich und seinen Raum zu verteidigen, Gegner in die Flucht zu schlagen oder im Spiel mit Gleichgesinnten. Bringt man diese Verhalten nun unter Kontrolle, kann das nicht selten auch schief gehen, wenn das Pferd die Lektion ungefragt zeigt oder im schlimmsten Falle sogar gegen den Menschen verwendet. Es ist leicht zu sagen „das kann mir nicht passieren“, aber gewappnet ist man davor nicht, das Risiko besteht grundsätzlich, insbesondere bei temperamentvollen und selbstbewussten Pferden, und dann sollte man die nötige Erfahrung haben um in der Lage zu sein, damit umzugehen.
Ohne Pferd und Mensch persönlich zu kennen, bewege ich mich als Trainer also auf dünnem Eis, wenn ich hier Tipps oder Anleitungen gebe. Eigenverantwortlich kann nur Handeln, wer sich und sein Können richtig einschätzen kann und ob dies der Fall ist, das ist aus der Ferne nicht zu beurteilen. Trotzdem möchte ich heute ein paar Worte dazu verlieren, welche Strategie ich beim Training des Steigens verfolge. Da sämtliche dieser Anregungen ein sehr hohes Arbeitsniveau verlangen, wird ein unerfahrener Pferdebesitzer hiermit nicht viel anfangen können…
Mein Grundsatz ist, wer in der Lage und bereit ist seinem Pferd das Steigen beizubringen, der weiß auch, wie er das tut. Ich bin kein Freund davon, das Steigen zu erarbeiten, indem man das Pferd so sehr stresst, dass es sich zur Wehr setzt und hieraus zu Steigen beginnt. Wer ein Verhalten unter Signalkontrolle bringt, der fängt immer auch die Gemütslage und Stimmung des Pferdes dazu ein. Sicherlich kann sich dies im Laufe des Trainings relativieren, aber für mich ist nicht das Zielbild maßgeblich, sondern der Weg dorthin.
[singlepic id=1398 w=320 h=240 float=right]Das Steigen ist für mich eine Lektion, die man eigentlich nicht erarbeitet, sondern die man als Zugabe bekommt, wenn man sorgfältig arbeitet und sein Pferd aufmerksam genug beobachtet, um die individuellen Ansätze zu erkennen. Jedes Pferd bietet irgendwann im Laufe seiner (fortgeschrittenen) Ausbildung irgendwann einen Ansatz an, man muss ihn nur wahrnehmen und nutzen. Natürlich gibt es auch Ansätze, die unpassend sind und bei denen es nicht förderlich ist, sie für sich nutzen zu wollen, das ist etwas, was man dann einschätzen muss und wofür man die nötige Erfahrung braucht.
Die Grundlage der Lektion „Steigen“ ist Impulsion. Als Impulsion bezeichnet man die Bereitschaft des Pferdes, auf leiseste Vorschläge des Menschen willig (im Sinne von motiviert) und energisch zu reagieren. Denn letztlich ergibt sich das Steigen genau hieraus, aus dem bisschen zuviel Impulsion zur richtigen Zeit. Angestaute Energie die sich in die richtige Richtung entlädt, ohne Aggressivität und negativen Stress. Je impulsiver das Pferd auf die Hilfen reagiert, desto weniger „Druck“ benötigt man für eine erste Idee des Steigens.
[singlepic id=1397 w=320 h=240 float=left]Impulsion ist ein erstrebenswertes und absolut notwendiges Ziel in der Ausbildung des Pferdes. Dieses hier im Detail zu erläutern würde den Rahmen sprengen, aber meiner Erfahrung nach scheitert es in den meisten Fällen an fehlender Impulsion, wenn es an das Erarbeiten dieser Lektion geht. Ohne Impulsion gelangt man irgendwann an einen Punkt, an dem es nicht mehr weiter geht, denn fast alle fortgeschrittenen Übungen, allen voran versammelte Lektionen und Lektionen der hohen Schule, verlangen danach. Dieses Gefühl werden insbesondere die Besitzer ruhiger und introvertierter Pferde kennen. Um ein ruhiges, eher introvertiertes Pferd so zu motivieren, dass Impulsion entsteht, benötigt man viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen.
So kann sich das Steigen aus unterschiedlichen Situationen ergeben. Eine Möglichkeit ist das Herauslösen aus der Vorhandseparation bzw. der Galopppirouette. Bei einer schnellen Wendung auf der Hinterhand oder der Galopppirouette hebt das Pferd kurzzeitig beide Vorderbeine vom Boden. Kann man dies abrufen, ist es möglich, die Distanz bzw. die Länge der Sprünge soweit zu verkürzen, dass man hier langfristig das Steigen erarbeiten kann. So hat im Übrigen mein Tarek das Steigen gelernt, aus der Galopppirouette auf mich zu. Eine weitere Möglichkeit ist, aus einem schnellen Wechsel von Halt bzw. Rückwärts zu Vorwärts das „nach vorn springen“ zu bestärken. Diese Variante bieten viele Pferde im Verlauf der Ausbildung an, sie ist aber ebenso mit Vorsicht zu genießen, denn das Pferd lernt hierbei „auf den Menschen zu“ zu Steigen. Eine weitere, sehr gängige Möglichkeit ist das erarbeiten des Steigens über den spanischen Schritt. Ist das Pferd so fein und impulsiv an den Hilfen, dass eine Vorderbeinbewegung nahezu reflexartig ausgelöst wird, wenn man das jeweilige Vorderbein touchiert (unabhängig davon, auf welcher Seite man sich gerade befindet), wird das Pferd bei schnellem wechselseitigen Touchieren rasch einen kleinen Hüpfer machen, den man mit etwas Arbeit und gutem Timing gut zu einem Steigen ausarbeiten kann. Hier darf Motivation und Impulsion nicht mit Abwehrverhalten und Aggression verwechselt werden. Wer sich dazu hinreißen lässt mit mehr Druck und kräftigerem Touchieren das Pferd zu stressen, der wird eher eine Abwehrreaktion erhalten, als einen auf Verständnis des Pferdes beruhenden Ansatz zum Steigen. Auch ein schneller Handwechsel am langen Seil kann ggf. ein erkennbarer Ansatz sein. Bei all diesen Varianten ist jedoch stets zu beachten, dass das Pferd niemals aggressiv reagiert und immer einen entsprechenden Sicherheitsabstand zum Menschen einhält. Natürlich ist auch der ganz klassische Ansatz erstrebenswert, das Pferd so zu versammeln, dass es am Höhepunkt dessen so stark die Hanken beugt, dass die Vorderbeine den Boden verlassen. Doch wer bereits so fortgeschritten ist, der benötigt eigentlich ohnehin keine Tipps mehr hierzu 😉
[singlepic id=1401 w=320 h=240 float=right]Es gibt auch Pferde, denen diese Lektion einfach nicht liegt. Dieses sollte man respektieren und sich mit anderen Lektionen zufrieden geben. Arbeitet man weiter an der Beziehung kann sich dies im späteren Verlauf des Pferdelebens durchaus auch noch mal ändern 😉 Möglicherweise ist man auch einfach doch noch nicht so weit, wie man denkt.
Die Kernaussage ist also, dass das Steigen immer eine sorgfältige Ausbildung voraussetzt und ohne diese Voraussetzungen das Steigen meiner Meinung nach immer zu Lasten der Beziehung geht. Denn dann bliebe einem nur die Möglichkeit, mehr Druck zu machen und dies ist meiner Meinung nach absolut abzulehnen. Neben dem moralischen Aspekt gegenüber dem Pferd, birgt eine aggressive Grundhaltung in Verbindung mit dem Steigen ein enormes Sicherheitsrisiko für alle Beteiligten, die mit dem Pferd umgehen. Die Gefährlichkeit dieser Lektion wird leider nur allzu häufig unterschätzt, sie kann unter Umständen lebensgefährlich sein! Ich kann mich nur noch einmal wiederholen: wer bereit für diese Lektion ist, der hat bereits das Potential seines Pferdes erkannt und weiß, wie er diese Lektion im Sinne seines Pferdes erarbeitet. Allen anderen sei dringend geraten, sich mit dem Erarbeiten dieser Lektion noch etwas Zeit zu lassen oder sogar gänzlich darauf zu verzichten.
schöner Artikel! gefällt mir gut! Ausdrückliches Hinweisen auf die nötige Geduld, die jeder Pferdefreund aufbringen sollte wenn er mit seinem Tier arbeitet! Und vor allem auch mal zurück stecken können, wenn es mal etwas länger dauert…. 🙂
[…] um sie druckfrei trainieren zu können. Hierzu habe ich einen eigenen Artikel geschrieben, den Sie hier nachlesen […]