Dieser Artikel wurde am 2. Februar 2015 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!
In der aktuellen Cavallo 02/2015 geht es in der Titelstory „Wie viel Beschäftigung Ihr Pferd braucht“ unter anderem auch um Clickertraining. Leider wird hier die gängige Meinung verstärkt, Clickertraining würde sich zwar für Tricks und Spielereien eignen, die Grunderziehung müsse aber konventionell, also über Druck, erfolgen. Da dies nicht meiner Meinung bespricht und hier ein Thema aufgegriffen wird, mit welchem ich ständig zutun habe, habe ich mich hingesetzt und dazu einen Leserbrief geschrieben, warum dies nicht so ist …
„Liebes Cavallo-Team,
ich freue mich, dass das Clickertraining in euren Artikeln Erwähnung findet. Schade finde ich, dass die Berichterstattung des letzten Artikels „Hat mein Pferd genug zutun“ dem Thema nicht gerecht wird. Als Clickertrainer sehe ich mich häufig dem Problem ausgesetzt, nicht ernst genommen zu werden. Das liegt zum einen daran, dass Clickertraining eine noch sehr junge Trainingsform im Pferdesektor ist, vor allen Dingen aber auch daran, dass diese häufig nicht ernst genommen wird. Hartnäckig hält sich die Meinung, dass Clickertraining für Tricks, Zirkuslektionen und Spielereien zwar hervorragend geeignet ist, die Grunderziehung oder auftretende Diskussionen aber konventionell – in der Regel über Druck / negative Verstärkung – geklärt werden müssen. Dabei ist Clickertraining ganz besonders geeignet für Fälle, in denen die konventionelle Arbeit versagt hat.
In eurem Artikel beschreibt ihr die Grenze des Clickertrainings dort, wo Pferde Stress haben, oder wie ihr es nennt „kritische Situationen“. Es ist richtig, dass Futter in solchen Situationen eine eher untergeordnete Rolle spielt. Allerdings spielt nicht nur das Futter eine untergeordnete Rolle, sondern auch das Lernen an sich. In Situationen, in denen Pferde Stress haben, sind die Lernvorgänge blockiert und das Lernen ist insgesamt erschwert. Training, und dazu gehört auch Clickertraining, sollte allerdings nie unter Stress stattfinden. Vielmehr ist das Training dafür gedacht, dass Pferd auf das Leben vorzubereiten um in etwaigen „kritischen Situationen“ auf gelerntes Verhalten zurückgreifen zu können – und das unabhängig von Lernform und Trainingsmethode.
Ein gelerntes Verhalten ist nicht abrufbar, weil das Pferd in Erwartung von Druck oder Futter reagiert, sondern weil das Verhalten entsprechend trainiert und unter Signalkontrolle gebracht wurde. Für das Verhalten ist es erst einmal egal, mit welcher Trainingsmethode es etabliert wurde – gelernt ist gelernt – für das Pferd allerdings nicht. Richtig trainiertes Verhalten ist auch in stressigen Situationen abrufbar. Mit positiver Verstärkung trainiertes Verhalten hat hierbei noch einen großen Vorteil: es gibt dem Pferd Sicherheit und fördert die Entspannung, weil das Pferd auf positive Lernerfahrungen zurückgreifen kann.
Es ist eines der größten Missverständnisse, dass nur über negative Verstärkung oder Strafe trainiertes Verhalten sicher abrufbar ist. Das wiederum liegt daran, dass viele Pferdebesitzer zu wenig Kenntnis über Trainingsprozesse haben und viele Verhaltensweisen nie „richtig sitzen“, also über den Status „im Training“ nicht hinaus kommen. Über negative Verstärkung funktioniert deshalb für viele Menschen besonders gut, weil die Lektionen selbst in „unfertigem“ Zustand noch abgerufen werden können, das hat jedoch nichts mit Gehorsam zutun. Gehorsam bedeutet „fertig trainiert und unter Signalkontrolle gestellt“ und nicht „kann auch ohne Training abgerufen werden“. Wer eine schnelle Lösung braucht, in der vermeintlicher Gehorsam vor den Befindlichkeiten des Pferdes steht, dabei auch wenig Zeit in korrektes Training investieren möchte, der wird für sich bei der Arbeit mit negativer Verstärkung sicherlich die Illusion eines gehorsamen Pferdes haben. Aber jeder, der mit mit negativer Verstärkung trainiert, sollte für sich einmal reflektieren, ob das abgerufene Verhalten tatsächlich gut und korrekt trainiert wurde und damit auch noch zuverlässig abrufbar ist, ohne das Druck ausgeübt wird.
Wer mit dem Clicker arbeitet und diesen als ernst zunehmende Trainingsmethode sieht, der arbeitet vorausschauend und sorgfältig. Er trainiert Verhalten so, dass es auch in ungewohnten Situationen abrufbar ist. Dazu gehört insbesondere auch das Ausschleichen der Belohnung, so dass diese nicht mehr jedes Mal erfolgen muss, sonst kann es in der Tat passieren, dass das Verhalten nur in Anwesenheit der Belohnung gezeigt wird (ebenso wie ein über negative Verstärkung trainiertes Verhalten nur unter Anwendung von Druck funktioniert). Wer sich hier nicht ernsthaft mit der Methode auseinandersetzt, läuft also tatsächlich Gefahr, dass Verhalten unter Stress nicht abrufbar ist. Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum sich dieses Gerücht so schwer aus der Welt schaffen lässt, sollte aber nicht der Trainingsmethode an sich angelastet werden.
Das Fazit sollte also lauten, sich mit Trainingsaufbau und Lernverhalten auseinander zu setzen und damit in der Lage zu sein, Verhalten krisensicher und sorgfältig trainieren und sich nicht darauf verlassen müssen, dass Verhalten im Zweifel immer noch über Druckmittel abrufbar ist. “