Dieser Artikel wurde am 26. Januar 2015 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!
Zirkuslektionen erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Während ich in meinen Anfängen der Zirkusarbeit des Öfteren belächelt wurde, findet die zirzensische Arbeit heute immer mehr Akzeptanz, auch wenn dies durchaus noch ein Entwicklungsfeld ist. Schuld daran ist sicherlich auch der Irrglaube, es handle sich hierbei nur um Spielerei. Selbstverständlich sollen Zirkuslektionen Spaß machen – uns und auch dem Pferd. Dennoch handelt es sich um eine ernstzunehmende Ausbildung mit eigener Ausbildungsskala.
Ähnlich wie die Ausbildungsskala des Reitpferdes, bauen die verschiedenen Lektionen logisch aufeinander auf und ergänzen sich.
Die Grundlage der zirzensischen Ausbildungsskala ist jedoch nicht in der Zirzensik selbst zu suchen, sondern beginnt bereits bei der Grunderziehung des Pferdes. So sollte das Pferd vor dem Beginn der zirzensischen Ausbildung bereits die Grundschule der Bodenarbeit durchlaufen haben und Alltäglichkeiten wie das Führen und Stehen, das Rückwärtsrichten, das Seitwärtsweichen und idealerweise auch das Kopfsenken bereits beherrschen. Je besser das Pferd am Boden vorbereitet ist, desto leichter gelingt der Einstieg. Dies gilt nicht nur für das Pferd, sondern auch für den Trainer, sofern er die bisherige Ausbildung seines Schützlings selbst vorgenommen oder sie begleitet hat. Denn nicht nur das Pferd lernt so die Grundbegriffe, sondern auch der Mensch, so dass beide möglichst schon vor dem Beginn mit der zirzensischen Arbeit zu einem harmonischen Miteinander gefunden haben und grundsätzliche Kommunikations-, Verständnis- und Respektsfragen im Idealfall bereits geklärt sind.
Selbstverständlich tragen Zirkuslektionen bei gewissenhaftem Vorgehen und einem einfühlsamen Trainer auch zur Verbesserung dieser wünschenswerten Verbindung bei oder helfen, bestehende Defizite zu überwinden.
Zur optimalen Vorbereitung gehören auch die verschiedenen Dehnübungen zur Lockerung und Gymnastizierung des Pferdes und natürlich zum Aufwärmen. Hieraus leitet sich bereits die erste, zaghafte Lektion ab: Die Verbeugung. Hierbei streckt das Pferd beide Vorderbeine nach vorne und senkt sich über die Hinterhand rückwärts-abwärts. Anfangs noch mit gesenktem, später mit erhobenem Kopf.
Die zweite und zugleich wichtigste Stufe der Ausbildungsskala ist das Kompliment, welches als die Basislektion gilt, auf der die weitere Ausbildung aufbaut. Der Bewegungsablauf ähnelt der Verbeugung, jedoch winkelt das Pferd hierbei ein Vorderbein an und stützt sich bei senkrecht stehendem Unterarm auf dem am Boden liegenden Röhrbein ab.
Geht das Pferd sicher auf beiden Seiten ins Kompliment, wird hieraus das Knien geformt, welches nichts weiter als ein beidseitiges Kompliment darstellt. Während das Pferd sich im Kompliment befindet, bittet man es mit der entsprechenden Touchierhilfe am gegenüberliegenden Bein, auch dort ein Kompliment zu machen. Mit ein bisschen Übung und die richtige Haltung im Kompliment vorausgesetzt, stellt dies keine große Hürde da.
Nach dem Knien erfolgt der Logik folgend das Abliegen. Indem man neben dem Pferd stehend seinen Kopf zu sich fragt, bringt man das Pferd dazu, sich über die Schulter abzurollen. Gegebenenfalls kann man sich hier die Bergziege zur Hilfe nehmen, mit der man die Hinterbeine des Pferdes weiter unter den Schwerpunkt bitten kann.
Es folgt nun der Wechsel vom aufrechten zum flachen Liegen, bei der das Pferd sich auf die Seite legt und alle Viere von sich streckt. Diese Lektion erfordert enormes Vertrauen. Das Pferd muss sich hierbei ganz auf seinen Herdenchef verlassen können. In der freien Wildbahn könnte ihm eine kleine Unachtsamkeit sein Leben kosten.
Nachdem das Pferd auch das Ablegen beherrscht, beginnt man mit dem Training zum Sitzen. Das Sitzen entwickelt sich aus der Unterbrechung im Bewegungsablauf zum Aufstehen. Das Pferd verharrt mit nach vorne gestreckten Vorderbeinen und schiebt sich dann rückwärts in eine aufrechte Position. Anfangs sitzen die Pferde noch seitlich. Mit der Zeit lernen Sie jedoch, mit den Vorderbeinen etwas um die eigene Achse zu laufen, so dass diese mittig vor den Hinterbeinen platziert sind und das Pferd sein Gewicht relativ gleichmäßig auf beide „Pobacken“ verteilt.
Das Pferd beherrscht nun alle Lektionen zu Boden, so dass man im Normalfall davon ausgehen kann, dass der für die weitere Ausbildung vorhandene Respekt gegenüber seinem Menschen vorhanden ist. Der Trainer sollte nun außerdem über genügend Know-How verfügen, um auch mit ungewohnten Reaktionen und eventuell auftretendem Übermut oder sogar Aggression zurecht zu kommen, da es sich bei diesen Lektionen um dominante Gesten aus dem natürlichen Verhaltensrepertoire der Pferde handelt.
Es folgt also die Ausbildung der Lektionen „über der Erde“.
Grundsätzlich ist es natürlich möglich, die Lektionen „nach oben“ auch ohne den Weg nach unten gegangen zu sein, zu erlernen. Ich empfehle jedoch, zumindest die anfänglichen Lektionen „nach unten“ zu erlernen, bevor damit begonnen wird, da diese auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen und eine gute Grundausbildung erfordern.
Warnhinweis ;)) Bitte beginnen Sie nicht mit dem spanischen Schritt, wenn Sie gerade erst angefangen, mit Futter und/oder positiver Verstärkung zu arbeiten. Auch wenn Sie gerade erst anfangen, sich mit Zirkuslektionen oder Bodenarbeit zu beschäftigen, sollten Sie dieses Vorhaben vertagen. Erst, wenn ihr Pferd und sie den Umgang mit Futter und Signalkontrolle kennen, ist diese Lektion für sie geeignet.
Für den spanischen Schritt hebt das Pferd im Schritt abwechselnd ein Vorderbein, möglichst gestreckt, bis an die Waagerechte. Mit zunehmender Ausbildung tritt eine annähernde Diagonalisierung der Fußfolge, ähnlich dem Trab ein. Hinzu kommen gegebenenfalls Variationen wie zum Beispiel der spanische Gruß, bei der das Pferd im Stand ein Bein gestreckt an der Waagerechten hält oder der spanische Trab, der einer Passage mit gestreckten Vorderbeinen ähnelt.
Auch das Steigen hat einen Platz in der Ausbildungsskala: und zwar ganz oben. Das Steigen ist sicherlich eine sehr imposante Geste, bei der es Spaß macht zuzusehen. Sie erfordert ein sehr feines Pferd und gute Impulsion, um sie druckfrei trainieren zu können. Hierzu habe ich einen eigenen Artikel geschrieben, den Sie hier nachlesen können
Unabhängig von den klassischen Zirkuslektionen, kann man seinem Pferd natürlich auch noch diverse Tricks beibringen, wie z. B. Ja und Nein-Sagen, Beine kreuzen oder Teppich ausrollen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Tricks lassen sich völlig unabhängig von den klassischen Zirkuslektionen trainieren und sich später bestens mit selbigen kombinieren.
Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, sich mit dem Thema näher auseinander zu setzen, schauen Sie doch mal in meine Terminliste oder organisieren Sie selbst einen Kurs mit mir 🙂
BRAVO! Ein toller und ausführlicher Bericht! Ich bin es oft Leid immer wieder erklären zu müssen das die Grundlage der Zirzensik erstmal in der Grunderziehung steckt. Das man nicht sofort mit einer Lektion beginnen kann.
Menschen die es nur aus Anerkennung erlernen wollen wenden sich schon bei diesen Worten ab. Und nur eine Handvoll Menschen nehmen es an und wollen umsetzen…
Sehr gut. Die Pyramide ist gut!