Dieser Artikel wurde am 20. Oktober 2014 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!
Wer mit seinem Pferd auf Veranstaltungen oder vor Publikum glänzen möchte, der erwartet, dass das Pferd die Signale, die der Mensch gibt, möglichst sofort umsetzt. Doch auch, wenn wir mit unserem Pferd in Ruhe trainieren, erwarten wir eine gewisse Reaktionsschnelligkeit vom Pferd. Doch was bedeutet überhaupt reaktionsschnell und wie trainiert man das?
Wenn wir von Signalkontrolle sprechen, also dass unser Pferd unser Signal zuverlässig umsetzt, haben wir häufig vor Augen, dass unsere Anfrage auch prompt umgesetzt wird und das Pferd die gewünschte Lektion zeigt. Häufig beobachte ich, dass unmittelbar danach scheinbar keine direkte Reaktion des Pferdes folgt und der Mensch darauf das Signal erneut gibt oder sogar mit Druck reagiert und seiner Bitte Nachdruck verleiht. Das führt häufig natürlich dazu, dass das Pferd die Lektion ausführt, doch wie geht es dem Pferd dabei?
Die Reaktionsschnelligkeit ist von sehr vielen Faktoren abhängig und kann daher nicht pauschal bestimmt sein. Trainiere ich mein Pferd über positive Verstärkung und zerlege eine Übung in viele kleine Einzelschritte, lernt das Pferd nicht einfach nur gehorsam zu sein, sondern es entwickelt ein bestimmtes Gefühl mit seinem Körper und Geist umzugehen. Es denkt über die Dinge, die es tun soll förmlich nach, statt einfach nur wie geplant zu reagieren. Es steht nicht unter Druck oder Zugzwang, sondern überlegt, welches der nächste sinnvolle Schritt auf dem Weg zur gewünschten Reaktion ist. Es ist vielmehr sogar gewünscht, dass das Pferd sich seiner Bewegungen bewusst ist. Natürlich möchte ich auch eine zuverlässige und angemessen schnelle Reaktion des Pferdes, doch ich möchte nicht, dass mein Pferd sich Mühe gibt, diese so schnell wie möglich auszuführen, sondern für mich sein bestes gibt.
Nehmen wir einmal das Kompliment als Beispiel. Das Kompliment besteht aus vielen Einzelschritten. Bevor das Pferd ins Kompliment geht, muss es seine Beine koordinieren, d. h. es verlagert das Gewicht auf die entsprechenden Körperteile, es baut Spannung dort auf, wo sie gebraucht wird. Es setzt die Hinterbeine nach hinten und hebt die Schulter, damit es das jeweilige Vorderbein hochheben und zurückführen kann. Es spannt Bauch- und Rückenmuskulatur an und wiegt sich über die Hinterhand zurück, bis das Vorderbein den Boden berührt und letztlich so abgelegt wird, dass das Pferd unter Berücksichtigung der eigenen Statik die Lektion weiter halten kann, bevor wir es bitten, wieder aufzustehen. Puh! Das ist eine ganze Menge Arbeit und ich habe bereits eine Menge Einzelschritte ausgelassen… So wie hier, ist es bei jeder Lektion, die das Pferd gelernt hat. Stellen Sie sich vor, ihr Pferd arbeite eine innere Checkliste ab, die sich in etwa mit den einzelnen Lernschritten gleicht. Bis diese automatisiert sind, dauert es eine ganze Weile, und selbst dann hat das Tier immer noch einiges mit dem Ablauf zu tun.
Wiederhole ich nun das Kommando endlos, bis das Pferd die Lektion „endlich“ ausführt, bemüht sich das Pferd im besten Fall tatsächlich, die Lektion schneller zu zeigen, doch wird diese dadurch besser? Geben wir dem Pferd nicht viel mehr das Gefühl, dass uns die gezeigte Leistung nicht ausreicht? Außerdem ist vom Trainingsaspekt dazu ganz sicher zu sagen, dass das Signal dazu nicht unbedingt besser verstanden wird, je öfter es gesagt wird.
Stattdessen ist es häufig viel sinnvoller, einfach mal einen Moment zu warten und das Pferd zu beobachten, ob es nicht vielmehr verstanden hat, was wir möchten und einfach einen Moment zur Ausführung braucht. Hat ein Pferd körperlich viel zu leisten, braucht es manchmal etwas Zeit vom „Kopf in die Beine“. Das Pferd reagiert also durchaus prompt auf unsere Bitte! Reaktionsschnelligkeit ist nichts, was man exklusiv trainiert oder gar erzwingt, sondern etwas das sich durch gutes Training ergibt. In dem Moment, in dem ich das damals verstanden habe, habe ich eine enorme Menge Druck für mich und das Pferd aus dem Training genommen und es war erstaunlich, was allein diese Erkenntnis in unserer Beziehung geändert hat.
Reagiert das Pferd dann tatsächlich wiederholt nicht, ohne dass ich das Signal erneut gebe, muss ich mir hingegen Gedanken machen, warum, denn dann liegt oft etwas im Argen. Häufig hat das Pferd die Lektion nicht richtig verstanden, manchmal haben wir nicht die richtigen Voraussetzungen geschaffen, weil das Pferd zum Beispiel nicht gut steht um die Lektion auszuführen. Es kann auch sein, dass wir einen falschen Zeitpunkt gewählt haben, weil das Pferd grade in einer falschen Bewegungsphase ist und daher seine Beine erst sortieren muss. Sehr häufig ist es auch ein Motivationsproblem, weil das Pferd die Übung als nicht angenehm empfindet und der „Gegenwert“ dafür nicht ausreichend ist. Dann muss ich grundlegend etwas optimieren. Ein Pferd, welches über positive Verstärkung trainiert wird, wird selbstverständlich auch lernen, die Lektionen zuverlässig und prompt umzusetzen – es wird aber ganz sicher nicht helfen, das Pferd „unter Druck“ zu setzen. Stattdessen braucht es Zeit, bis alle Abläufe gefestigt sind, die Übungen damit auch „leichter“ und routinierter wird und das Pferd darüber hinaus natürlich auch motivierter ist.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie stehen im Flur und Ihr Freund oder Lebensgefährte kommt zu Ihnen und ruft Ihnen zu „Schatz, kannst du bitte den Müll runterbringen?“ „Gerne“, denken Sie bei sich. Sie müssen aber noch Schuhe und Jacke anziehen und vor allem, müssen Sie überlegen, wo Sie den Schlüssel gelassen haben … Während Sie also einen Moment darüber nachdenken, was Sie zuerst machen, steht Ihr Gegenüber schon da, schaut Sie fordernd an und sagt „Hallo? Ich hatte dich gebeten den Müll rauszubringen …“ oder noch schlimmer „Ey! Müll!“ Motiviert Sie das oder denken Sie nicht viel mehr „Bring ihn doch selber raus?“
Unsere Pferde sind oft viel kommunikativer und bereitwilliger, als wir ihnen zutrauen. Dies gilt es zu fördern, indem wir ihnen Zeit geben zu denken, statt in dem Glauben „da kommt nichts mehr“ erneut zu fragen oder gar zu fordern. Also, manchmal einfach „abwarten und Tee trinken“, statt „mit der Tür ins Haus zu fallen“.
Sehr schön geschrieben! Das kann ich nur bestätigen 🙂
Vielen Dank für diesen Bericht. Das ist immer was ich sage…. Boti muss sich eben kurz sortieren und dann legt er los
!!! S U P E R !!!
Vielen Dank Silvia, für diesen tollen Artikel. Mit Deinen Worten hast Du genau das ausgedrückt, was leider bei ganz vielen Menschen mit ihren Pferden verloren gegangen ist. Um so schöner ist es für mich, zu lesen, dass es auch andere Trainer, wie Dich, gibt, die den Menschen dazu verhelfen, wieder auf ihr eigenes Bauchgefühl hören zu können. Ich erfahre häufig, dass Trainer, die vor mir mit einem zum Problem erzogenen Pferd trainiert haben, den Besitzern sagen: Du musst mit mehr Druck arbeiten, lass Deinem Pferd nicht so viel Zeit, um auf dumme Gedanken zu kommen. Dabei sind es gar keine dummen Gedanken, sondern immer die Ansätze, uns Menschen etwas anzubieten, was aus Sicht des Pferdes vielleicht richtig sein könnte. Und nur über die Langsamkeit bekommt das Pferd die Möglichkeit, mitzudenken und wir Menschen die Möglichkeit, zu lernen, das sehen zu können, was der kleinste gewünschte Ansatz dessen ist, was wir als Antwort auf die Fragen an unsere Pferde erwarten. Und das tolle daran ist, dass wir viel mehr von dem wahrnehmen, was lobenswert ist 😉
Danke, liebe Silvia!