Contra-Freeloading beschreibt ein faszinierendes Verhalten: Tiere ziehen es oft vor, sich ihr Futter zu erarbeiten, anstatt es ohne Aufwand zu erhalten. Dieser Effekt wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt und spielt eine zentrale Rolle in der Verhaltensbiologie und der Trainingsgestaltung.
In der Welt des Clickertrainings könnte man zunächst annehmen, dass das Prinzip bereits erfüllt ist, schließlich arbeiten unsere Pferde aktiv für Belohnungen. Doch Contra-Freeloading geht über das bloße Arbeiten für Futter hinaus. Es eröffnet neue Perspektiven auf Wahlmöglichkeiten, Motivation und Selbstbestimmung im Training, die das Wohlbefinden und die Zusammenarbeit mit dem Pferd nachhaltig verbessern können.
In der Arbeit mit Pferden wird das Prinzip besonders dann relevant, wenn wir überlegen, wie wir Motivation und Entscheidungsfreiheit in unser Training integrieren. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob ein Pferd arbeitet, weil es Freude an der Aufgabe hat, oder ob es „arbeiten muss“, um an Futter zu gelangen. Contra-Freeloading setzt genau hier an: Es sorgt dafür, dass das Pferd frei entscheiden kann, ob es eine Aufgabe ausführt oder eine alternative Futterquelle nutzt.

Die Forschung hinter Contra-Freeloading

Der Begriff „Contra-Freeloading“ setzt sich aus „contra“ (lateinisch für „gegen“) und „freeloading“ (englisch für das kostenlose Nutzen von Ressourcen) zusammen und wurde in den 1960er Jahren von dem Psychologen Glen Jensen geprägt, der als Erster dieses Verhalten in experimentellen Studien untersuchte. Jensen kam auf die Idee, dieses Verhalten zu untersuchen, weil die damals vorherrschende Annahme in der Verhaltensforschung war, dass Tiere immer den einfachsten Weg zur Ressourcengewinnung wählen. Seine Motivation war es, herauszufinden, ob dies tatsächlich zutrifft oder ob Tiere möglicherweise eine Präferenz für aktive Beschäftigung haben.

Jensens Experimente mit Ratten zeigten überraschend, dass sie oft einen Hebel betätigten, um an Futter zu gelangen, selbst wenn identisches Futter ohne Anstrengung in ihrem Käfig lag. Spätere Studien mit Vögeln, Primaten und anderen Säugetieren bestätigten dieses Verhalten. Die Forschung ergab, dass viele Tiere eine Präferenz für Herausforderungen zeigen, solange diese lösbar sind und nicht zu viel Energie kosten.

Studien haben gezeigt, dass die Tiere nicht nur nach Nahrung suchen, sondern auch nach mentaler Stimulation und Entscheidungsfreiheit. Das Erarbeiten von Futter kann außerdem ein intrinsisch motivierender Faktor sein, da es das Tier aktiver in seine Umwelt einbindet. Zwar gibt es kaum direkte Studien zum Kontrafreeloading bei Pferden, doch qualifizierte Beobachtungen von Verhaltensforschern und Trainern legen nahe, dass sie sich stärker mit ihrer Umgebung beschäftigen, wenn sie kognitive Herausforderungen erhalten. Zudem zeigen Studien an anderen Tierarten, dass Tiere oft Futterquellen bevorzugen, die einen gewissen Aufwand erfordern, anstatt frei verfügbares Futter zu wählen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Pferde sich in diesem Punkt von anderen untersuchten Tierarten unterscheiden – eher im Gegenteil. Aufgrund ihrer gut dokumentierten kognitiven Fähigkeiten und verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse ist es naheliegend, dass das Konzept des Kontrafreeloadings auch auf Pferde anwendbar ist.

Gleichzeitig zeigen Untersuchungen auch, dass Tiere, die sich ihr Futter erarbeiten, oft weniger stressanfällig sind, da sie eine stärkere Kontrolle über ihre Umgebung haben. Dies ist besonders für domestizierte Tiere relevant, denen in der Haltung oft Entscheidungsfreiheit fehlt. Indem sie die Möglichkeit erhalten, sich ihr Futter durch einfache Aufgaben zu erarbeiten, wird sowohl ihre mentale Stimulation gefördert als auch ihr allgemeines Wohlbefinden verbessert.

Affective Neuroscience: Seeking- und Play-System

Eine der besten Erklärungen für dieses Verhalten liefert die Affective Neuroscience des Neurowissenschaftlers Jaak Panksepp. Er identifizierte sieben primäre emotionale Systeme im Gehirn von Säugetieren, darunter das Seeking System und das Play System, die besonders für Contra-Freeloading relevant sind.

  • Das Seeking System ist verantwortlich für Motivation, Exploration und die aktive Suche nach Belohnungen. Es wird durch Dopamin gesteuert und sorgt dafür, dass das Suchen nach einer Lösung bereits als belohnend empfunden wird – unabhängig davon, ob eine externe Verstärkung folgt. Contra-Freeloading nutzt dieses Prinzip, indem es Pferden ermöglicht, sich auf natürliche Weise mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen und aus eigenem Antrieb heraus Aufgaben zu lösen.
  • Das Play System ist eng mit kreativer Problemlösung und explorativem Verhalten verbunden. Besonders junge Pferde lernen spielerisch durch Interaktionen mit ihrer Umwelt. Contra-Freeloading kann in diesem Zusammenhang als eine spielerische Herangehensweise an Lernprozesse gesehen werden, die das natürliche Lernverhalten des Pferdes unterstützt.

Diese beiden Emotionssysteme liefern eine neurobiologische Erklärung dafür, warum Contra-Freeloading das Lernen nicht nur effektiver, sondern auch angenehmer für das Tier macht. Panksepp geht davon aus, dass ein Mangel an Stimulation des Seeking und Play-Systems dazu führen kann, dass Tiere unerwünschte Verhaltensweisen wie Stereotypien oder Frustrationsreaktionen entwickeln, während dessen Aktivierung dafür sorgt, dass es eine Aufgabe als lohnend empfindet, weil sie das natürliche Bedürfnis nach Kontrolle, Exploration und Entscheidungsfreiheit anspricht. 

Es ermöglicht Tieren, sich selbstbestimmt mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen, wodurch nicht nur die Trainingsqualität, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden verbessert wird.

Negative Strafe: Response Cost und Time-Out

Contra-Freeloading im Kontext bei der Entwicklung von „Choice & Control“

In den frühen Stadien des Clickertrainings wurde häufig der NILIF-Ansatz („Nothing in Life is Free“) verfolgt, bei dem das Tier für jede Ressource arbeiten musste. Manche Trainer setzten dieses Konzept so strikt um, dass ihre Tiere ausschließlich durch Training an Futter kamen und es keine „kostenlose“ Nahrungsaufnahme mehr gab. Diese Herangehensweise basierte auf der Idee, dass Tiere lernen sollten, Belohnungen nur durch aktives Verhalten zu verdienen. Dadurch wurde jedoch oft übersehen, dass eine solche Ressourcenverwaltung das Tier in eine permanente Abhängigkeit bringen kann, häufig mit Stress einhergeht und ihm kaum Wahlmöglichkeiten lässt.

Im Training mit Pferden ließ sich dieses Konzept zwar von Anfang an nur bedingt umsetzen, doch auch hier wurde mit strenger Reglementierung von Ressourcen gearbeitet und z. B. im Training auf besonders hochwertiges Futter zurückgegriffen, Teile der Ration im Training genutzt oder mit hungrigen Tieren trainiert, um zusätzliche Anreize zu setzen.

Mit der Weiterentwicklung des positiven Trainings wurde erkannt, dass für ein nachhaltiges und pferdegerechtes Lernen nicht nur das Arbeiten für Futter, sondern auch die Deckung der Grundbedürfnisse – grundsätzlich und im aktuellen Zustand – eine wesentliche Rolle spielt. Daraus entwickelte sich eine Zwischenstufe, in der darauf geachtet wurde, dass Pferde neben dem Training jederzeit Zugang zu ausreichend Nahrung, Bewegung und sozialen Interaktionen hatten. Diese Anpassung sorgte dafür, dass Pferde im Training nicht nur aus Mangel heraus, sondern auch aus Freude am Training mitarbeiteten. 

Erst mit der weiteren Entwicklung des Ansatzes von Choice & Control als grundlegendes Prinzip, das dem Pferd nicht nur die Möglichkeit gibt, zwischen Training und Alternativen zu wählen, sondern auch eine hohe Selbstbestimmung über seine Lernprozesse bietet, spiele Contra-Freeloading eine Rolle.

Das Prinzip von Contra-Freeloading steht in dieser Hierarchie weit oben, da es sicherstellt, dass das Pferd nicht nur Signalen folgt, sondern aktiv entscheiden kann, ob es sich auf eine gestellte Aufgabe einlässt oder nicht. Das sorgt für ein freiwilliges und stressfreies Training, bei dem das Pferd als eigenständig handelnder Partner wahrgenommen wird.

Warum ist freie Futterverfügbarkeit im Training wichtig?

Viele Trainer, die mit positiver Verstärkung arbeiten, gehen zunächst davon aus, dass das Training mit positiver Verstärkung automatisch auch ein hohes Maß an Wahlfreiheit mit sich bringt. Tatsächlich ist das Training mit positiver Verstärkung bereits ein großer Schritt hin zu einer motivierenden, pferdegerechten Lernumgebung. Allerdings kann Contra-Freeloading das Training weiter verbessern, indem es sicherstellt, dass das Pferd nicht nur auf ein Signal reagieren und zwischen „Belohnung“ und „Nicht-Belohnung“ wählen kann, sondern auch die Wahl zwischen Arbeit für Futter und einer annähernd gleichwertigen, frei verfügbaren Futterquelle hat. Nur wenn diese Alternative besteht, kann sich das Pferd bewusst für die Zusammenarbeit entscheiden und das Training mit positiver Verstärkung erfüllt auch den Anspruch von „Choiche & Control“.

Der Approach-Avoidance Conflict

Ein oft unbemerktes Problem im Pferdetraining ist der so genannte Approach-Avoidance Conflict – ein innerer Konflikt, der entsteht, wenn ein Pferd sowohl von einer Belohnung angezogen als auch von einer Aufgabe abgeschreckt wird. Dieses Phänomen tritt häufig auf, wenn die Belohnung besonders hochwertig ist, der Trainingsschritt aber besonders viel Überwindung kostet, z. B. durch potentiell schlechte Vorerfahrungen des Pferdes. In der Praxis äußert sich dies in zögerlichem Verhalten, abruptem Wechsel zwischen Mitarbeit und Vermeidung oder scheinbar unerklärlichem Zögern, obwohl das Pferd die Belohnung anstrebt.

Ein klassisches Beispiel für diesen Konflikt ist ein Pferd, das zwar die ersten Schritte auf eine potentielle Gefahr macht. weil es gelernt hat, dass es eine Belohnung erhalten kann, aber gleichzeitig Anspannung zeigt oder immer wieder kurz vor der Interaktion innehält. Wird der Konflikt nicht erkannt, kann er langfristig zu Frustration, Vermeidungsverhalten oder einem Rückgang der Motivation führen. Ein weiteres Risiko in dieser Kombination ist die Anwendung von Druck, die diese Situationen oder den Kontext nachhaltig vergiften kann.

Contra-Freeloading kann diesen Konflikt erheblich entschärfen, indem es dem Pferd eine echte Wahl bietet. Statt sich in einer Zwangslage zu befinden, kann es selbstständig entscheiden, ob es eine Aufgabe ausführt oder sich der frei verfügbaren Futterquelle zuwendet. Diese Entscheidungsfreiheit reduziert die innere Anspannung und stärkt das Vertrauen ins Training. 

Contra-Freeloading kann den Stress im Training durch Konfliktreduzierung verringern.

Contra-Freeloading als Stressregulation und Qualitätsmerkmal im Training

Ein häufiger Einwand gegen Contra-Freeloading ist die Sorge, dass das Pferd nicht mehr mitarbeiten könnte, wenn es jederzeit freien Zugang zu Futter hat. Tatsächlich kann dies passieren, wenn die Anforderungen im Training zu hoch sind oder der Trainingsaufbau nicht optimal gestaltet wurde. Wenn sich das Pferd überfordert fühlt oder die Aufgabe nicht versteht, wird es sich eher für die verfügbare Futterquelle entscheiden.

Statt dies als Problem zu betrachten, kann Contra-Freeloading als wertvolles Feedback-Instrument genutzt werden. Die freie Verfügbarkeit von Futter ermöglicht es Trainern, ihre Methoden zu überprüfen und anzupassen. Wendet sich das Pferd vom Training ab, ist das oft ein Zeichen dafür, dass die Aufgabe zu schwer oder das Training nicht kleinschrittig genug aufgebaut ist. Dies bietet die Chance, die Herangehensweise zu verbessern und sicherzustellen, dass das Training stets verständlich, positiv und pferdegerecht bleibt.

Ein weiterer Vorteil von Contra-Freeloading ist die Reduktion von Stress und Frustration im Training. Durch die freie Verfügbarkeit von Futter im Training wird auch die Implementierung von Pausen und das Ende des Trainings wesentlich erleichtert. Pferde empfinden das Trainingsende nicht als unangenehme Konsequenz oder plötzlichen Entzug der Belohnung, sondern können sich einfach dem frei verfügbaren Futter zuwenden. Dies trägt dazu bei, dass Trainingspausen als positiv erlebt werden und das Pferd entspannt bleibt.

In klassischen Trainingssituationen kann ein Pferd, das sich überfordert fühlt, unerwünschte Verhaltensweisen wie Abwehrreaktionen oder Vermeidungsverhalten zeigen. Wenn es jedoch jederzeit die Möglichkeit hat, sich einfach der Futterquelle zuzuwenden, anstatt in eine Stressreaktion zu geraten, kann dies dazu beitragen, dass das Training für das Pferd entspannter bleibt. Dies unterstützt die Idee von Choice & Control, da das Pferd stets selbst entscheiden kann, ob und in welchem Tempo es an der Trainingseinheit teilnimmt. Stattdessen wird das Training bereichert, indem das Pferd aktiv wählen kann, wie es mit seiner Umwelt interagiert. Dies entspricht dem Konzept von Choice & Control, bei dem das Pferd sinnvolle Entscheidungen treffen kann, was wiederum eine aktivere, interessiertere Rolle im Training begünstigt. Kontrolle und Wahl sind dabei nicht nur Trainingsmethoden, sondern erfüllen grundlegende Bedürfnisse des Pferdes. Forschung zeigt, dass ein gewisses Maß an Kontrolle über die eigene Umgebung das emotionale Wohlbefinden positiv beeinflusst, indem es Stress reduziert und ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Selbstbestimmung ist ein zentraler Bestandteil eines ausgeglichenen emotionalen Zustands und fördert langfristig die Motivation und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

Die Möglichkeit, frei über seine Beteiligung zu entscheiden, stärkt nicht nur die Motivation, sondern trägt auch dazu bei, Vertrauen und eine positive Erwartungshaltung im Training aufzubauen. So wird das Training mit positiver Verstärkung durch Contra-Freeloading nicht ersetzt, sondern sinnvoll ergänzt, um das Pferd noch stärker in den Lernprozess einzubinden.

Grenzen von Contra-Freeloading

Obwohl Contra-Freeloading ein wertvolles Konzept ist, das das Training bereichert und für mehr Selbstbestimmung sorgt, gibt es auch Situationen, in denen es an seine Grenzen stößt. In manchen Trainingskontexten, etwa wenn sicherheitsrelevante oder notwendige Verhaltensweisen unter Zeitdruck trainiert werden (z. B. Medikamentengabe), ist eine Wahlmöglichkeit zwischen Training und Futter nicht immer praktikabel.

Ein weiteres Problem kann auftreten, wenn die alternative Futterquelle zu attraktiv ist und das Pferd dadurch weniger auf das Training fokussiert bleibt. Besonders in frühen Trainingsphasen, bei Pferden mit Deprivationsschäden oder bei unerfüllten Grundbedürfnisse, kann es eine gewisse Zeit dauern, bis sie lernen, sich bewusst für die Zusammenarbeit zu entscheiden. Hier ist ein schrittweises Heranführen an Contra-Freeloading notwendig, damit das Pferd lernt, zwischen Futteraufnahme und Interaktion mit dem Trainer flexibel zu wechseln.

Darüber hinaus gibt es natürlich noch viele andere, ganz praktische Szenarien, indem Contra-Freeloading nicht umsetzbar ist, z. B. weil das Bereitstellen von frei verfügbarem Futter in der Trainingsumgebung durch den Stallbetreiber reglementiert ist, sich andere Pferde im Trainingsbereich befinden, weil die Haltungsbedingungen oder der Gesundheitszustand des Pferdes ein gewisses Maß an Hunger oder anderen unerfüllten Grundbedürfnissen mit sich bringen, oder der Trainer schlichtweg nicht über das Interesse daran oder die Erfahrung zur Umsetzung verfügt.

Eine kurzfristige nicht-Verfügbarkeit von freiem Futter in Trainingssessions sollte kein Problem darstellen, wenn die grundsätzlichen Trainingsprinzipien verstanden und die Bedürfnisse gestillt sind. Trotzdem sollte man als Trainer darauf vorbereitet sein, dass das Pferd nach anderen Mitteilungsoptionen sucht, wenn der Gang zur Futterquelle keine Möglichkeit darstellt.

Auch ist Contra-Freeloading ist kein Ersatz für ein gut strukturiertes, kleinschrittiges Training. Wenn ein Pferd sich konstant für das freie Futter entscheidet, kann das ein Hinweis darauf sein, dass das Training zu anspruchsvoll oder nicht klar genug gestaltet wurde. Contra-Freeloading sollte daher als ein unterstützendes Element, nicht als alleinige Trainingsstrategie betrachtet werden. Ein durchdachter Trainingsaufbau, der auf Verständlichkeit, Motivation und Wahlmöglichkeiten setzt, bleibt die Basis eines erfolgreichen positiven Pferdetrainings.

Contra-Freeloading und die Verlässlichkeit von Signalen

Ein häufiges Missverständnis ist die Annahme, dass Signale im Training mit Contra-Freeloading nur eine „freiwillige Geschichte“ sind und das Pferd sie jederzeit ignorieren kann. Tatsächlich geht es nicht darum, dem Pferd die Entscheidung zu überlassen, ob es ein Signal ausführt, sondern ob es sich für das Training entscheidet. Ein gut trainiertes Signal basiert auf klarer Kommunikation, Verständnis und positiver Verstärkung – nicht auf der bloßen Verfügbarkeit von Alternativen.

Auch wenn im Training freies Futter zur Verfügung steht, bedeutet das nicht, dass das Pferd willkürlich entscheidet, ob es ein Signal ausführt oder nicht. Vielmehr sorgt ein solides Trainingsfundament dafür, dass Signale zuverlässig und entspannt ausgeführt werden, weil das Pferd sie versteht, positive Erfahrungen damit gemacht hat und Vertrauen ins Training besteht. Die Wahl, die Contra-Freeloading bietet, bezieht sich auf die Beteiligung am Lernprozess, nicht auf die grundsätzliche Umsetzung von erlernten Signalen.

Daraus ergibt sich, dass es kein Problem ist, wenn Contra-Freeloading aus bestimmten Gründen einmal nicht möglich ist – zum Beispiel, wenn andere Pferde in der Bahn sind oder die Situation keine frei verfügbare Futterquelle zulässt. Ein gut trainiertes Pferd, das versteht, was von ihm erwartet wird, wird trotzdem verlässlich auf Signale reagieren. Contra-Freeloading ist ein Werkzeug, um Motivation, Selbstbestimmung und Stressreduktion zu fördern, aber es ersetzt nicht die fundamentale Signalkontrolle, die durch gutes Training aufgebaut wird.

Das bedeutet auch, dass Contra-Freeloading kein entweder-oder ist. Wer sagt, dass Pferde unter allen Umständen lernen müssen, dass sie „keine Wahl haben“, argumentiert letztlich ähnlich wie jemand, der Training mit Zwang rechtfertigt. Eine echte Trainingsgrundlage entsteht nicht durch das Fehlen von Alternativen, sondern durch Verständnis, Verlässlichkeit und positive Erfahrung. Contra-Freeloading trägt dazu bei, diese Basis zu stärken – es macht Signale nicht unverbindlich, sondern verlässlicher.

Contra-Freeloading kann auch eine naturnahe Haltung im Sinne des Pferdes ergänzen.

Contra-Freeloading als Teil der natürlichen Lebensweise

Eine enorme Rolle spielt das Contra-Freeloading-Prinzip bei der Verbesserung der Haltungsbedingungen. Pferde sind darauf ausgelegt, den Großteil ihres Tages mit der Nahrungsaufnahme zu verbringen. In der freien Wildbahn bewegen sie sich über große Flächen und verbringen bis zu 16 Stunden täglich mit der Suche und Aufnahme von Futter. Diese Form der Futtersuche ist nicht nur ein überlebenswichtiges Verhalten, sondern hat auch eine entscheidende Bedeutung für das emotionale Gleichgewicht und die geistige Auslastung eines Pferdes. Wenn domestizierte Pferde die Möglichkeit haben, ihr Futter auf eine interaktive Weise zu erarbeiten, kommt dies ihrem natürlichen Verhalten sehr viel näher, als wenn sie einfach nur passiv gefüttert werden.

Das Konzept des Contra-Freeloadings gewann vor allem in der Forschung zur Verbesserung der Lebensqualität von Tieren in Gefangenschaft an Bedeutung. In Zoos und Versuchseinrichtungen wurde erkannt, dass die reine Bereitstellung von Nahrung ohne kognitive oder physische Herausforderung zu Langeweile, Verhaltensstörungen und erhöhter Stressanfälligkeit führen kann. Die Einführung von Enrichment-Methoden, die Tiere dazu anregen, aktiv nach Futter zu suchen oder einfache Aufgaben zu lösen, zeigte deutliche Verbesserungen im Verhalten und Wohlbefinden. Diese Prinzipien lassen sich ebenso auf Pferdehaltung und Training übertragen.

Domestizierte Pferde, die oft in begrenzten Umgebungen mit festen Fütterungszeiten gehalten werden, profitieren enorm davon, wenn ihnen Möglichkeiten zur aktiven Futterbeschaffung geboten werden. Durch das Variieren von Futterorten, das Nutzen von Heunetzen oder Futterspielzeugen kann der natürliche Suchprozess nachgebildet werden. Contra-Freeloading kann so nicht nur das Training bereichern, sondern auch dazu beitragen, die Haltung pferdegerechter und abwechslungsreicher zu gestalten. Auch die Möglichkeit zur selbstbestimmten Nahrungsaufnahme trägt dazu bei, Stress und Frustration zu vermeiden, insbesondere in Umgebungen, in denen Pferde in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Indem Pferde über ihre Futteraufnahme mitentscheiden können, erleben sie ein höheres Maß an Selbstwirksamkeit, was langfristig ihr Vertrauen in ihre Umgebung und ihre Beziehung zum Menschen stärken kann und eine insgesamt höhere Lebensqualität erreicht wird.

Contra-Freeloading als wertvolle Ergänzung

Contra-Freeloading ist ein kraftvolles Werkzeug, das das Training mit positiver Verstärkung bereichert, indem es Pferden echte Wahlmöglichkeiten gibt. Es sorgt für mehr Selbstbestimmung, reduziert Stress und hilft Trainern, ihre Methoden kontinuierlich zu verbessern. Dennoch ist Contra-Freeloading kein Selbstzweck: Es funktioniert am besten, wenn es durch eine gut strukturierte Trainingsgestaltung unterstützt wird, die das Pferd weder überfordert noch unter Druck setzt.

Indem wir als Trainer eine annähernd gleichwertige Futteralternative bereitstellen, können wir nicht nur die Qualität des Trainings verbessern, sondern auch das emotionale Wohlbefinden unserer Pferde nachhaltig fördern. Contra-Freeloading ergänzt die Prinzipien der positiven Verstärkung sinnvoll, indem es für eine vertrauensvolle, freiwillige Zusammenarbeit sorgt.

Contra-Freeloading bedeutet, dass Pferde nicht „arbeiten müssen“, sondern dass sie arbeiten wollen. Indem wir ihnen Wahlmöglichkeiten geben, machen wir das Training nicht schwerer, sondern wertvoller – für Pferd und Mensch.

Quellen und weiterführende Literatur

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  • Inglis, I. R., Forkman, B., & Lazarus, J. (1997). Free food or earned food? A review and fuzzy model of contrafreeloading. Animal Behaviour, 53(6), 1171-1191. Springer
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  • Vasconcellos, A. S., Adania, C. H., & Izar, P. (2009). Contrafreeloading in maned wolves: implications for their management and welfare. Applied Animal Behaviour Science, 120(3-4), 216-223. PDF
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  • Delgado, M. M., Hecht, J., & Reevy, G. M. (2021). Domestic cats (Felis catus) prefer freely available food over food that requires effort. Animal Cognition, 24(5), 1001-1009.
  • Shawna Karrasch. Contra-Freeloading in Horses. Shawna Karrasch Blog
  • Enriching Equines. Contrafreeloading in Horses | Horse Training and Enrichment. Enriching Equines

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