Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2024 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!
Veraltete Konzepte wie „Dominanz“ und „Führung“ prägen trotz wissenschaftlicher Widerlegungen noch immer viele Trainingsmethoden. Das Positionspapier der International Society for Equitation Science (ISES) zeigt, warum diese Ansätze nicht dem natürlichen Verhalten von Pferden entsprechen und wie sie das Wohl unserer Pferde dadurch gefährden können. Hier findet ihr neben einigen Informationen zur ISES und dem Paper, die deutsche Übersetzung der Zusammenfassung und Quellennachweise, um die Erkenntnisse allen zugänglich zu machen, die ihre Pferde respektvoll und auf Basis von Wissenschaft besser verstehen und mit ihnen arbeiten möchten.
Wer ist die International Society for Equitation Science (ISES)?
Die International Society for Equitation Science (ISES) ist eine Organisation, die wissenschaftliche Erkenntnisse nutzt, um das Verständnis für das Verhalten von Pferden zu fördern und deren Wohlergehen zu verbessern. Ihr Ziel ist es, den Umgang und das Training von Pferden auf eine fundierte, ethische und pferdefreundliche Basis zu stellen.
ISES setzt sich dafür ein, dass Forschungsergebnisse in der Pferdewelt anwendbar gemacht werden – sei es im Training, im Management oder in der Pflege von Pferden. Die Organisation verbindet Wissenschaftler, Trainer und Pferdebesitzer, um gemeinsam neue Wege für den artgerechten Umgang mit Pferden zu finden.
Wer ist die International Society for Equitation Science (ISES)?
Die International Society for Equitation Science (ISES) ist eine Organisation, die wissenschaftliche Erkenntnisse nutzt, um das Verständnis für das Verhalten von Pferden zu fördern und deren Wohlergehen zu verbessern. Ihr Ziel ist es, den Umgang und das Training von Pferden auf eine fundierte, ethische und pferdefreundliche Basis zu stellen.
ISES setzt sich dafür ein, dass Forschungsergebnisse in der Pferdewelt anwendbar gemacht werden – sei es im Training, im Management oder in der Pflege von Pferden. Die Organisation verbindet Wissenschaftler, Trainer und Pferdebesitzer, um gemeinsam neue Wege für den artgerechten Umgang mit Pferden zu finden.
Was ist das ISES Position Statement über „Leadership“ und „Dominance“ im Pferdetraining?
Das ISES-Positionspapier befasst sich mit der Verwendung und dem Missbrauch der Konzepte „Führung“ und „Dominanz“ im Pferdetraining. Es basiert auf wissenschaftlichen Studien und klärt darüber auf, dass Pferde in sozialen Gruppen keine starren Hierarchien mit einem „Alpha-Tier“ bilden, wie oft angenommen wird. Stattdessen zeigen Pferde flexible und situationsabhängige Beziehungen, die nicht auf Dominanzstreben basieren.
Das Paper warnt vor Trainingsmethoden, die auf veralteten Dominanztheorien beruhen, da sie häufig zu Stress, Angst und einer gestörten Beziehung zwischen Mensch und Pferd führen. Solche Ansätze beinhalten oft Druck, Bestrafung oder Einschüchterung, was weder pferdegerecht noch nachhaltig ist.
Stattdessen plädiert das ISES-Positionspapier für Trainingsmethoden, die auf Wissenschaft, positiver Verstärkung und einem tiefen Verständnis für das natürliche Verhalten von Pferden basieren. Ziel ist es, das Wohlbefinden der Tiere zu fördern und eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Mensch und Pferd aufzubauen.
ISES-Positionspapier zur Dominanz Die Nutzung und der Missbrauch von Führungs- und Dominanzkonzepten im Pferdetraining ISES-Positionspapier
Im Original zusammengefasst von Professor Jan Ladewig und Chloe Campbell
Disclaimer: Es handelt sich um die Übersetzung der „Summary“ des Papers, ebenfalls herausgebracht von der ISES. Das vollständige Paper und dessen Zusammenfassung findet ihr auf der Seite der ISES: https://www.equitationscience.com/equitation
Dominanzhierarchien, Alpha-Positionen oder Führungsrollen in sozialen Gruppen von Pferden
Dominanzhierarchien, Alpha-Positionen oder Führungsrollen in sozialen Gruppen von Pferden sind durch den Menschen eingeführte Konzepte, die nicht die Interaktion zwischen Mensch und Pferd leiten sollten. Pferde bilden individuelle Beziehungen zueinander, statt ein gruppenweites Rangsystem.
Forschungen zur Kognition von Pferden legen nahe, dass sie nicht die mentale Kapazität für solche hierarchischen Strukturen haben. Während ältere oder erfahrenere Pferde andere möglicherweise zu Ressourcen wie Futter oder Wasser führen, gibt es keine starken Belege dafür, dass Führungsrollen konsequent an bestimmte Individuen innerhalb einer Gruppe gebunden sind.
Zusammenfassung
Dominanzhierarchien, Alpha-Positionen oder Führungsrollen in sozialen Gruppen von Pferden sind durch den Menschen auferlegte Konzepte, die nicht als Grundlage für die Mensch-Pferd-Interaktion dienen sollten. Pferde entwickeln individuelle Beziehungen zueinander, anstatt ein gruppenweites Rangsystem zu etablieren.
Forschungen zur Kognition von Pferden legen nahe, dass ihnen die mentale Kapazität für solche hierarchischen Strukturen fehlt. Während ältere oder erfahrenere Pferde andere möglicherweise zu Ressourcen wie Futter oder Wasser führen, gibt es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Führungsrollen dauerhaft an bestimmte Individuen innerhalb einer Gruppe gebunden sind.
Soziale Organisation von wilden und verwilderten Pferden, die in natürlicher Umgebung leben
Pferde sind hochsoziale Tiere, und das Leben in Gruppen ist entscheidend für ihr Überleben. Konkurrenz um Ressourcen, vor allem in domestizierten Umgebungen, kann zu aggressivem Verhalten führen, das sich jedoch meist in Drohgebärden zeigt, selten in körperlichen Auseinandersetzungen. Pferde vermeiden Konflikte und bauen stattdessen auf bilaterale Beziehungen, anstatt Dominanz über eine gesamte Gruppe auszuüben.
Unter natürlichen Bedingungen leben die meisten Pferde in stabilen Gruppen, meist bestehend aus einem Hengst und mehreren Stuten, die enge und oft lebenslange Bindungen eingehen. Hengste kontrollieren die Bewegungen der Stuten nur, wenn sie die Gruppe vor äußeren Bedrohungen schützen – ein Verhalten, das als „Hüten“ bezeichnet wird.
Konkurrenz
Das Leben in sozialen Gruppen fördert das Überleben, bringt aber auch Wettbewerb mit sich. Aggressionen äußern sich durch Drohgebärden wie angelegte Ohren, angehobene Hinterbeine oder das Peitschen mit dem Schweif. Unterwerfung wird meist durch Ausweichverhalten angezeigt – Pferde entfernen sich mit gesenktem Kopf und eingezogenem Schweif. Jungtiere zeigen gegenüber älteren Pferden oft ein „Kauen“ oder „Klappen“ mit dem Maul als Zeichen der Unterwerfung.
Bei wilden Pferden entsteht Aggression meist, wenn Hengste um Stuten konkurrieren oder Stuten ihre Fohlen schützen. Diese Begegnungen bestehen oft aus Drohgebärden und eskalieren selten in ernsthafte Kämpfe, die jedoch intensiv sein und Verletzungen verursachen können. Stuten schützen ihre Neugeborenen, indem sie sich zwischen ihr Fohlen und potenzielle Bedrohungen stellen – ein Verhalten, das oft fälschlicherweise als Streben nach einer höheren sozialen Position interpretiert wird.
In domestizierter Haltung
In domestizierter Haltung bzw. „in Gefangenschaft“ konzentriert sich die Konkurrenz oft auf zugefüttertes Futter. In stabilen Gruppen ist ernsthafte Aggression selten. Meistens weicht ein Pferd einem anderen für den Zugang zu Ressourcen. Mit der Zeit lernen Pferde ihr eigenes „Ressourcen-Verteidigungspotenzial“ im Vergleich zu anderen einzuschätzen, was künftige Interaktionen beeinflusst. Diese basieren auf bilateralen Beziehungen und nicht auf einer umfassenden sozialen Hierarchie.
Dominanzhierarchien
Dominanz kann in bilateralen Beziehungen helfen, soziale Ordnung herzustellen, doch gibt es keine Hinweise darauf, dass Pferde ein Konzept von Rangordnungen oder Hierarchien verstehen. Der Ursprung der Dominanztheorie liegt in Schjelderup-Ebbes Beobachtung der „Hackordnung“ bei Hühnern, die fälschlicherweise auf andere soziale Tiere, einschließlich Pferden, übertragen wurde.
Studien zeigen, dass in Pferdegruppen keine klaren Rangordnungen existieren, insbesondere in mittleren Hierarchieebenen. Die meisten Interaktionen erfordern keine direkte Aggression. Zwar lernen Pferde aus früheren Begegnungen mit anderen, doch das bedeutet nicht, dass sie Beziehungen oder Rangplätze zu anderen Pferden in der Gruppe in einem umfassenden Sinne kartieren können.
Führung bei Pferden
Die Führung in Pferdeherden lässt sich aus zwei Blickwinkeln betrachten:
- Soziale Führung: Hier geht es darum, Streitigkeiten innerhalb der Gruppe zu schlichten und die Gemeinschaft vor Gefahren zu schützen. Sowohl Hengste als auch Stuten können aktiv in Konflikte eingreifen und für Ordnung sorgen bzw. diese Beenden.
- Räumliche Führung: Dieser Aspekt betrifft die Leitung der Gruppenbewegungen. Früher nahm man an, dass ältere Stuten oder Hengste diese Rolle übernehmen. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass Führungsentscheidungen oft flexibel sind und von unterschiedlichen Pferden getroffen werden.
Das bedeutet: Führung bei Pferden ist dynamisch und verteilt sich je nach Situation auf mehrere Mitglieder der Gruppe.
Dominanz im Pferdetraining
Manche Trainer denken, dass sie die „Alpha-Position“ einnehmen müssen, um den Respekt und Gehorsam eines Pferdes zu gewinnen. Pferde erkennen Menschen jedoch nicht als Teil ihrer sozialen Struktur, und diese Annahme beruht auf Anthropomorphismus – der Übertragung menschlicher Eigenschaften auf Tiere.
Dieser Ansatz kann zu missbräuchlichen Trainingsmethoden führen, bei denen Strafen eingesetzt werden, was das Wohlbefinden des Pferdes und die Mensch-Pferd-Beziehung gefährdet. Aggressives Verhalten seitens des Trainers erzeugt oft Angst und Vermeidung beim Pferd. Statt Dominanz sollte das Training auf klaren, konsistenten Beziehungen basieren, die das Wohlbefinden des Pferdes schützen.
Schlussfolgerung
Interaktionen zwischen Mensch und Pferd sollten sich an den natürlichen Verhaltensweisen und kognitiven Fähigkeiten der Pferde orientieren. Dominanzkonzepte sind menschliche Konstrukte und ungeeignet, um die komplexen sozialen Strukturen von Pferden zu beschreiben.
Training sollte ruhig, klar und stringent durchgeführt werden, basierend auf wissenschaftlich fundierten Prinzipien der Lerntheorie und Ethologie. Der Versuch, Trainingsmethoden auf einer angenommenen Dominanzhierarchie aufzubauen, kann das Wohlbefinden des Pferdes gefährden und die Beziehung zwischen Mensch und Pferd belasten.
Take Home Message – Das Wesentliche auf einen Blick
- Pferde interagieren hauptsächlich bilateral, nicht in einer Rangordnung, die alle Gruppenmitglieder umfasst.
- Die Annahme, dass der Mensch im Training eine Alpha-Position einnehmen muss, kann negative Auswirkungen auf das Pferd haben, z. B. Vermeidungsverhalten.
- Training sollte klar, stringent und harmonisch gestaltet werden, um das Wohlbefinden des Pferdes zu sichern.
- Dominanzbasierte Ansätze schaden der Beziehung zwischen Mensch und Pferd und können zu einer Verschlechterung der Trainingsqualität führen.
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