Dieser Artikel wurde am 5. Juni 2021 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!

Ein Thema, welches regelmäßig in Diskussionen zum positiven Training auftaucht, ist die Verwendung eines wie auch immer gearteten „Nein“s im Training. Dabei geht es nicht immer darum, mittels dem Hinzufügen eines unangenehmen Reizes Verhalten zu unterbinden, sondern häufig auch darum, dem Tier weitere Hilfestellung anzubieten und so Frustration zu vermeiden. Der Wunsch ist ehrenwert, doch um zu verstehen, warum die Anpassung des Trainings viel sinnvoller ist, als das Training über weitere Tools zu verkomplizieren, muss man tief in die Materie eintauchen und die unterschiedlichen Möglichkeiten lerntheoretisch näher betrachten.

Als Mensch sind wir leider oft darauf gepolt, andere Menschen auf Ihre Fehler hinzuweisen und konstruktive Kritik oder stattdessen das Aufzeigen von – sinnvollen – Alternativen fällt uns eher schwer. Wir sind „Fehlergucker“. So ist es nicht verwunderlich, dass wir dies auch auf unseren Umgang mit dem Pferd übertragen, was häufig den Einsatz eines „Fehlerwortes“ mit sich bringt. Dabei geht es nicht immer darum, mittels dem Hinzufügen eines unangenehmen Reizes Verhalten zu unterbinden, sondern häufig auch darum, dem Tier weitere Hilfestellung anzubieten und so Frustration zu vermeiden. Der Wunsch ist ehrenwert, doch um zu verstehen, warum die Anpassung des Trainings viel sinnvoller ist, als das Training über weitere Tools zu verkomplizieren, muss man tief in die Materie eintauchen und die unterschiedlichen Möglichkeiten lerntheoretisch näher betrachten.

Ein Fehlerwort oder Abbruchsignal ist ein Wort, dass gesagt wird, wenn das Tier einen Fehler macht oder unerwünschtes Verhalten zeigt. Es soll dem Tier sagen, dass es aufhören soll zu tun, was es eben in diesem Moment tut oder ggf. ein anderes Verhalten zeigen soll.  Zunächst einmal sollte man sich klar machen, dass Begriffe wie „Fehlerwort“ oder „Abbruchsignal“ nicht wissenschaftlichen Ursprungs sind. Daher gibt es keine allgemeingültige Definition und diese werden von Trainern sehr unterschiedlich angewandt. Es ist also absolut notwendig, die einzelnen Maßnahmen und Begrifflichkeiten lerntheoretisch zu betrachten um deren Wirkweise und Sinnhaftigkeit zu prüfen.

Signale funktionieren durch Konsequenzen

Grundsätzlich hat ein Signal für das Tier nur dann eine Bedeutung, wenn es eine entsprechende Konsequenz ankündigt. Dabei sollte die Konsequenz gleichbleibend sein, denn nur so kann sie vom Tier richtig interpretiert und zuverlässig auf sein Verhalten angewendet werden. Werden die Konsequenzen vermischt und ein Signal zieht mal eine angenehme und mal eine unangenehme Konsequenz nach sich, führt dies dazu, dass es nur noch unzuverlässig ausgeführt wird, weil das Tier dessen Bedeutung nicht mehr erfassen kann. Dies ist lerntheoretisch unumgänglich: Keine Konsequenzen bedeuten keine Wirkung und man könnte sich jegliche „Kommunikation“ über diese Begrifflichkeiten sparen. Da man aber nicht „nicht-kommunizieren“ kann, beinhaltet ein Fehlerwort immer auch ein Ankündigen von Konsequenzen. Wie bei uns Menschen auch, führen Ankündigungen, die auch nur ab und zu mal unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen, immer zu einer gewissen Form von Skepsis und damit zur Verhaltenshemmung. Ein Fehlerwort ist also nie „wertfrei“ für das Tier, sondern führt durch die angekündigten Konsequenzen immer auch zu einer emotionalen Regung im Gehirn des Tieres – je nach Konsequenz löst es also nicht nur eine Verhaltensänderung aus, sondern auch eine tendenziell angenehme oder unangenehme Emotion. Wie immer steuern wir durch die Konsequenzen auch zu einem Teil die Emotionen des Tieres in unserem Training und sollten uns dieser Verantwortung bewusst sein.

Signale funktionieren durch Konsequenzen

Fehlerwort aus Sicht des Trainers

Für den Trainer hat ein Fehlerwort seinen Reiz häufig darin, „falsches Verhalten“ des Tieres nicht unkommentiert lassen zu wollen. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich. Oft habe ich das Gefühl, dass der Trainer damit eine gewisse Form von Hilflosigkeit kommuniziert. Weil er gerade keine bessere Lösung für das gemeinsame Problem kennt, möchte er dem Tier unbedingt noch eine Information geben, die ihm auf dem Weg zur richtigen Lösung helfen soll. Je nachdem, mit welchem Gefühl dies beim Trainer einhergeht und welche Form des Trainings hier vorliegt, fallen auch die damit verbundenen Konsequenzen aus.

Fehlerwort mit positiver Strafe – etwas Unangenehmes wird hinzugefügt

Eine sehr häufige Variante ist tatsächlich das „Nein“ (oder irgendein anderer Laut, z. B. „tsch!“ / Zischen oder ein Ausruf) als Abbruchsignal. Es soll dazu führen, dass das Tier sein Verhalten unterbricht und möglichst auch nicht erneut zeigt. Häufig wünscht sich der Trainer dabei eine deeskalierende Wirkung, zum Beispiel weil er sich selbst oder das Tier in Gefahr sieht und eine sofortige Unterbrechung des Verhaltens notwendig ist.

Hat man „Nein“ nicht explizit als Abbruchsignal mit positiver Verstärkung verknüpft, basiert dessen Wirkung in der Regel auf positiver Strafe. Das Tier unterbricht sein Verhalten, weil es unangenehme Konsequenzen, die darauffolgen könnten, vermeiden möchte. Die Natur der Dinge bringt oft mit sich, dass wir in unserem Verhalten in solchen Situationen nicht sehr reflektiert reagieren. So fällt unsere Reaktion selten neutral aus und das „Nein“ geht mit entsprechenden körperlichen oder körpersprachlichen Konsequenzen einher, die dann dem „Nein“ nachhaltig eine Bedeutung geben. Häufig wird dann damit argumentiert, dass das Tier aber die Bedeutung von „Nein“ aus irgendeinem Grund trotzdem interpretieren könne, man es aber nie im Kontext von „Nein“ bestraft hätte oder gar das Tier das „Nein“ gar nicht als Strafe sehen würde. Hier erinnern wir uns daran, dass ein Signal nur dann eine Bedeutung erhält, wenn es entsprechende Konsequenzen ankündigt. Wenn das Tier also auf das „Nein“ reagiert, indem es das Verhalten unterbricht und ggf. noch Zeichen – auch milde – von Stress oder Beschwichtigungsverhalten zeigt, erzielt das „Nein“ seine Wirkung durch die Ankündigung einer positiven Strafe und die damit verbundenen Emotionen.

Keine Konsequenzen bedeuten keine Reaktion.

Fairerweise muss man erwähnen, dass „Nein“ und andere Fehlerworte von vielen nahezu inflationär verwendet werden und das Tier sein Verhalten oft erst nach mehrfacher Nennung oder sogar gar nicht unterbricht. Das spricht dafür, dass die Konsequenz schwammig ist. Wenn das „Nein“ eigentlich bedeutet: „Lass das, sonst …“, dann sollte konsequenterweise natürlich irgendwann auch tatsächlich eine Strafe folgen, damit es seine Wirkung behält. Andernfalls stumpft das Tier ab. Meist kommt es dann dazu, dass der Mensch bei Wiederholung lauter und bedrohlicher wird, auf das Tier zugeht oder anderweitig droht, so dass hier eigentlich zunächst nicht die Wirkung des Signals von Bedeutung ist, sondern das Tier erst auf die weiteren Konsequenzen reagiert. Schlimmstenfalls fühlt sich das Tier in der Situation durch Aufmerksamkeit sogar noch belohnt und das unerwünschte Verhalten wird verstärkt.

Nutzt man das „Nein“ auch nur hin und wieder in dieser Form, würde ich in einem Trainingsprozess tunlichst unterlassen, bei einem Fehlversuch des Pferdes „Nein“ zu sagen

Positive Strafe gehört nicht in einen Trainingsprozess. Ein „Nein“, auch wenn es nur eine milde Form der Strafe ist, arbeitet über „Hemmung“. Das heißt, es wirkt sich nicht nur auf das Verhalten aus, welches das Tier im Moment des „Nein“ zeigt, sondern wirkt auch hemmend (unterdrückend) auf alternative Verhaltensweisen. Im schlimmsten Fall überlassen wir das Tier also seiner Hilflosigkeit, weil es sich nicht traut, etwas anderes auszuprobieren. Schließlich haben wir seine Bemühung beim letzten Mal bestraft.

Ein Tier zeigt kein „falsches“ Verhalten. Verhalten ist aus Sicht des Tieres immer „richtig“, sonst würde es nicht gezeigt werden.

Keine Konsequenzen bedeuten keine Reaktion.

Der No-/Non-Reward-Marker (NRM) – Das Verhalten führt jetzt und auch in Zukunft nicht zu einer Belohnung

Wird in einem Trainingsprozess konsequent ein Wort verwendet, um dem Tier zu sagen, dass auf dieses Verhalten keine Belohnung erfolgt, soll die Wirkung hierbei mittels negativer Strafe erfolgen. Hierbei steht der Wunsch des Trainers im Vordergrund, dem Tier mitzuteilen, dass dieses Verhalten auch in Zukunft keine Belohnung nach sich zieht, damit es vom Tier nicht erneut gezeigt wird. In der Fachliteratur wird dies in der Regel als No- oder Non-Reward-Marker (NRM) bezeichnet.

Konditioniert wird dies, indem nach der Nennung des NRM eine angenehme Konsequenz entzogen wird. Die in Aussicht gestellte Belohnung bleibt aus oder wird sogar aktiv entfernt. Unabhängig davon, wie „drastisch“ diese Maßnahme ist, beinhaltet sie lerntheoretisch einige Problem, da sich die Ankündigung einer negativen Strafe in positive Strafe wandelt. Die Wirkung erzielt das NRM, indem es eine negative Strafe ankündigt. Da die Ankündigung jedoch mit unangenehmen Emotionen einhergeht, welche durch das NRM hinzugefügt werden, ist dies lerntheoretisch als positive Strafe zu betrachten. Dies lässt sich sehr simpel in Form eines „Fehlerbuzzers“ beschreiben. Wird in einer Spielshow eine falsche Antwort von einem „Buzzerton“ begleitet, der das Ausbleiben der erwarteten Belohnung (jetzt und auch in Zukunft) signalisiert, reicht eine einzige Anwendung des Buzzers aus, um dessen Bedeutung nachhaltig zu konditionieren. Er führt dazu, dass unmittelbar ein unangenehmes Gefühl eintritt und häufig auch dazu, dass weitere Antworten mit mehr „Bedacht“ und Skepsis aus Sorge um den Verlust begleitet werden. Nun kann man sicher damit argumentieren, dass die Belohnung ja nicht vollständig weg ist und der Buzzer einem die Gelegenheit bietet, seine Antwort neu auszurichten, aber seien wir mal ehrlich: im Moment des Buzzertons fühlt es sich alles andere als gut an und man möchte das Tier eigentlich nicht in eine solche Situation bringen.

Das NRM unterstützt das Tier nicht bei der Suche nach einem anderen Verhalten, sondern führt lediglich im „Ausschlussverfahren“ dazu, dass das Tier vielleicht eine andere Lösung anbietet. Es mag Situationen geben, in denen das hilfreich erscheint, die Wirkung ist jedoch fraglich. Es hält keine neuen Informationen, was es stattdessen tun kann, bereit, und von daher frage ich: Was hilft es dem Tier, wenn ich sage „Schade, das war es nicht…“

Zudem wirkt Strafe, egal ob positiv oder negativ, stets hemmend auf das Gesamtverhalten. Der Unterschied ist lediglich, dass negative Strafe (die hier ja eigentlich nicht vorliegt …) etwas weniger hemmend wirkt, da das Tier durch die in Aussicht gestellte Belohnung immer noch nach einem Alternativverhalten sucht bzw. es Verhalten gibt, dass in der Vergangenheit positiv verstärkt wurde.

Auch das Argument, dass das NRM dem eigenen Tier scheinbar helfe, sollte genauestens geprüft werden. Hilft es dem Tier oder hilft es nur dem Menschen, der sich in dem Moment „besser“ fühlt. Kommt die Verhaltensänderung tatsächlich durch einen positiven Effekt des NRM zu Stande, oder durch die Verhaltensänderung des Trainers, oder beruht die Wirkung sogar auf Stress als Reaktion durch das NRM? In jedem Fall wirkt sich das NRM Hemmend auf das Verhalten des Tieres aus, was wiederum nur dann der Fall ist, wenn es sich hierbei lerntheoretisch um eine Strafe handelt (Strafe wird lerntheoretisch dadurch definiert, dass die Verhaltensfrequenz abnimmt).

Doch die Anwendung birgt noch weitere „Fallstricke“, die ein Überdenken notwendig machen. Wende ich das NRM bereits nach dem ersten Fehlversuch an, dämpfe ich die Motivation des Tieres direkt zu Beginn – eigentlich soll es ja nach einer Lösung suchen. Liegt das Tier beim nächsten Versuch nach dem NRM ebenfalls wieder falsch, muss eigentlich ein Abbruch erfolgen, damit die Wirkung des NRM aufrechterhalten wird. Denn es bleibt dabei: ein Signal wirkt, weil es Konsequenzen ankündigt. Würde in weiteren Versuchen nach Nennung des NRM die angekündigte Konsequenz ausbleiben, würde sich das Training nicht vom herkömmlichem Training ohne NRM unterscheiden und man kann sich die Nennung und den Aufbau des NRM grundsätzlich sparen, was im Übrigen ganz klar meine Empfehlung ist. Insbesondere, wenn wir dem Tier eigentlich mitteilen möchten „Mach etwas Anderes“, sollten uns im positiven Training andere Mittel zur Verfügung stehen, als das Verhalten durch „Hör damit auf“ zu unterbrechen.

Keep-Going-Signal (KGS) und Intermediäre Brücke (IBM)

Keep-Going-Signal (KGS) und Intermediäre Brücke (IBM)

Eigentlich fallen diese beiden Varianten nicht unter „Abbruchsignale“, sondern sollen genau das Gegenteil bewirken. Das Keep-Going-Signal sagt dem Tier, dass es bereits das Zielverhalten zeigt und dieses aufrecht erhalten soll, bis es den sekundären (Click) und primären Verstärker erhält. Die intermediäre Brücke soll dem Tier mitteilen, dass es sich nahe dem Zielverhalten befindet und weiter nach der richtigen Lösung suchen soll, bis es auch hier den sekundären und primären Verstärker erhält. Im Gegensatz zum NRM, welches auch im angewandten positiven Training nur sehr selten genutzt wird, hört man diese beiden Begriffe häufiger. Auch hier handelt es sich nicht um feststehende, wissenschaftliche Begriffe, weshalb man deren Aufbau genau unter die Lupe nehmen muss, da es sogar vorkommt, dass diese beiden Begriffe miteinander ausgetauscht werden.

Während das NRM durch die Ankündigung einer (negativen) Strafe wirkt, sollen KGS und IBM ihre Wirkung dadurch erhalten, dass sie den primären Verstärker Ankündigungen und das Tier so zum „Durchhalten“ motiviert. Warum Sie dennoch Ihren Platz in dieser Auflistung erhalten, liegt an der Nähe zum NRM. Denn wie auch beim NRM, erfolgt auf beide Signale keine unmittelbare Verstärkung, sondern das Tier zeigt weiterhin Verhalten.

Das Keep-Going-Signal wird klassischerweise dann eingesetzt, wenn das Tier die Dauer eines Verhaltens steigern soll. Als Beispiel bietet sich hier der Aufbau eines stationären Targets an, an dem das Tier weiter „kleben“ soll, solange das KGS ertönt, bis darauf zunächst der sekundäre (Click) und dann der primäre Verstärker, z. B. Futter, erfolgt. Es sagt dem Tier „genau dieses Verhalten führt dich zum Ziel, zeige jetzt kein anderes Verhalten.

Die intermediäre Brücke wird dann angewandt, wenn das Tier kurz davor ist, dass Zielverhalten zu erreichen, ähnlich wie ein „warm“ beim Kinderspiel Topfschlagen. Es soll das Tier also dazu motivieren, weiter nach der Lösung zu suchen. Wer schon mal Kinder beim Topfschlagen beobachtet hat, der weiß, dass die gewünschte Reaktion zwar ein besonnenes Überlegen ist, diese aber häufig in überschwänglichem „Draufhauen“ resultiert.

Ich möchte gar nicht so sehr ins Detail gehen, ob und inwiefern beide Varianten im Training sinnvoll sind, sondern kurz auf die Schwierigkeit eingehen, die der Einsatz mit sich bringt.

Der Einsatz beider Signale macht im Grunde nur dann Sinn, wenn man sich absolut sicher ist, dass das Tier nach dem Einsatz der Signale (KGS/IBM) das gewünschte Zielverhalten auch zeigt, damit darauf die positive Verstärkung erfolgen kann. Schwierig wird es allerdings, wenn dies nicht der Fall ist. Denn dann müssen weitere Maßnahmen erfolgen und in der Regel resultiert dies in einem Abbruch des Versuchs – die Bemühung des Tieres wird nicht honoriert, es erfolgt keine Verstärkung. Und hier zeigt sich, wie nah diese beiden gut gemeinten Varianten am NRM sind und wie schnell die Wirkung schwammig werden kann. Werden KGS und IBM häufig und ohne Bedacht eingesetzt, weil man hofft, dass das Tier doch noch die richtige Antwort findet, kündigen sie sehr bald keine positive Verstärkung mehr an, sondern das Ausbleiben des Verstärkers.

Unterm Strich sollte man also bei allen drei Varianten im Hinterkopf haben, dass es sich hier um sehr komplexe Trainingstools handelt, deren Anwendung hinterfragt werden sollte, weil sie sehr schnell eine unerwünschte Entwicklung mit sich bringen, die häufig nicht bedacht wird.

Abbruchsignal / Alternativverhalten mit positiver Verstärkung

Abbruchsignal / Alternativverhalten mit positiver Verstärkung

Grundsätzlich kann dem Wunsch nach einem Abbruchsignal auch im positiven Training entsprochen werden. Denn eine weitere Möglichkeit, ein Abbruchsignal zu trainieren, ist das Trainieren eines Alternativverhaltens. Ich gebe dem Tier also die Möglichkeit, sich durch ein anderes Verhalten eine Belohnung zu verdienen, während das gerade gezeigte Verhalten nicht zum Verstärker führt. In diesem Fall funktioniert das Abbruchsignal also, weil ich zuvor ein Alternativverhalten trainiert habe und das Signal dem Tier daher bereits bekannt ist. Im Idealfall sollte es sich hierbei um ein Verhalten handeln, welches „bombenfest“ sitzt und auch bereits unter starker Ablenkung trainiert wurde. Zum Beispiel ein „Halt“ oder „Stopp“. Und auch ein „Nein“ kann durchaus ein Signal für ein Alternativverhalten sein, wenn man in der Lage ist, es „sauber“ zu halten.

In der Theorie ist es eine total gute Idee, dem Tier zu sagen, was es tun soll, wenn es etwas tut, was gerade nicht erwünscht ist. So sagen wir gerne „Steh!“, wenn das Pferd zappelt oder „Schau weg“, wenn es die Nase in der Tasche hat. Zum Hund sagen wir gerne „bei Fuß“, wenn er sich entfernt oder „Hier“, wenn er dem Hasen hinterherfegt. Schließlich wird ja überall davon gesprochen, erwünschtes Verhalten zu belohnen, statt Unerwünschtes zu unterbinden. Wäre da nicht die Tatsache, dass ein Signal und auch ein Verhalten, das mit positiver Verstärkung trainiert wurde, ebenfalls ein Verstärker ist. Hier müsste man jetzt eigentlich schreiben „Achtung, jetzt kommt eine wichtige Information“, denn tatsächlich ist dies einer der häufigsten Gründe, warum das Training nicht effektiv ist oder sich Verhalten verschlechtert, statt verbessert.

Da das Signal dem Tier die Möglichkeit ankündigt, sich durch das richtige Verhalten einen Verstärker zu verdienen, wirkt das Signal selbst ebenfalls verstärkend. Und auch ein Verhalten, für das das Tier bereits häufig verstärkt wurde, ist ein Verstärker. Das bedeutet, dass das Verhalten, welches das Tier im Moment der Signalgabe zeigt, positiv verstärkt wird – durch das Signal, das nachfolgende Verhalten und durch die ggf. dann folgende Übergabe des Verstärkers. Es wird also in Zukunft häufiger auftreten.

Es kann also sehr leicht passieren, dass wir mit der augenscheinlich bestmöglichen Variante das Problem eigentlich verschlimmern, statt es zu verbessern und das Tier das unerwünschte Verhalten in Zukunft häufiger zeigt. Das gute daran: Es ist irgendwann nicht mehr zu übersehen, dass wir uns in einer Trainingssituation befinden, bei der Verhalten ganz offensichtlich positiv verstärkt wurde. Dies zeigt auch ganz klar, dass das Tier in dieser Situation trainiert werden kann und nicht etwa zu gestresst ist, um zu lernen. Wenn wir es also mit einem gefährlichen Verhalten zu tun hatten, das vorher so reaktiv war, dass Training nicht möglich war, haben wir hier schon mal eine verbesserte Ausgangssituation geschaffen. Nichts desto trotz ist dies eigentlich nicht das, was wir erreichen wollten. Manchmal ist es aber das einzige, was man bekommen kann!

Im Grunde genommen lässt sich also mit jedem positiv trainierten Signal der Abbruch eines anderen Verhaltens bewerkstelligen und von allen genannten Varianten ist dies auch stets meine Empfehlung, um Verhalten zu beenden, wenn es droht, aus dem Ruder zu laufen. Denn hier hat das Tier eine ganz genaue Anweisung: „Tu genau dies, das ist DIE Option auf Verstärkung für dich!“ Ist die Situation brenzlig, kann man sich eine Verschnaufpause schaffen, indem man das gezeigte Alternativverhalten verstärkt, bis man die Situation entschärft hat oder (das Tier? der Trainer? wer bietet die Lösung an?) eine Lösung anbieten kann. Bis man einen konkreten Trainingsplan hat, der für das Tier Alternativen zum Fehlverhalten beinhaltet, sollte man das Training so gestalten, dass es möglichst keinerlei Option zum Zeigen des unerwünschten Verhaltens gibt, auch, wenn dies zunächst das Beenden des Trainings zur Folge hat.

Es gibt immer eine positive Lösung. Sicherlich gibt es Situationen, in denen es zu dem Zeitpunkt gerade nicht möglich ist, weil man z. B. mit dem Hund den anderen Hund passieren muss oder mit dem Pferd gerade auf dem Rückweg zum heimischen Stall ist. In den meisten Situationen, bei denen der Wunsch nach einem Fehlerwort besteht, handelt es sich jedoch um überschaubare Trainingssituationen, die sich beeinflussen lassen.

Verhalten, das nicht verstärkt wird, wird weniger häufig gezeigt

Nun kann man sicherlich denken: positiv trainieren ist kompliziert und für den Einsteiger kaum machbar. Sicherlich ist Training mit positiver Verstärkung im ersten Moment komplizierter, weil es sich so sehr vom konventionellen Training unterscheidet. Kompliziert wird es allerdings erst, wenn man es kompliziert macht. Statt auf weitere Trainingstools zurück zu greifen, sollte die erste Möglichkeit immer darin liegen, das eigene Verhalten zu überdenken.

Wenn die (drohende) Frustration oder Sorge, egal ob beim Tier oder beim Trainer, so hoch ist, dass dies durch ein „Fehlerwort“ oder einen wiederholten Verhaltensabbruch kommuniziert werden muss, heißt es „back to the roots“ und nicht „up to the roof“, weiter nach oben. Ein Fehler ist immer eine Information, darüber, was das Tier schon kann und was nicht (Zitat: Katja Frey). Warum hat mein Tier keine andere Idee? Wie kann ich mein Tier unterstützen? Welche weiteren Informationen kann ich dem Tier geben, die die richtige Entscheidung leichter machen? Welcher Trainingsschritt war zu groß? Wie kann ich weitere Zwischenschritte einbauen?

Vielleicht fühlt es sich im ersten Moment komisch an, nicht unmittelbar auf einen Fehler einzugehen, aber für das Tier ist die Information, dass es einen Fehler gemacht hat, erstmal nicht relevant. Die Verhaltensökonomie des Tieres sieht vor, dass Verhalten, dass sich nicht lohnt, weniger häufig gezeigt wird, was ja exakt das ist, was wir mit unseren Maßnahmen erreichen möchten. Es reicht in den meisten Fällen also völlig aus, den Fehler des Tieres für den Moment zu ignorieren und stattdessen sein Training anzupassen, da der Fehler dann im besten Fall gar nicht mehr auftritt und das Tier stattdessen das gewünschte Verhalten zeigen kann.

Das bedeutet auch, seine eigenen Emotionen und Wünsche im Training kurzfristig zurückstellen zu können und das Training zu beenden, um die Situation mit etwas Abstand betrachten zu können und seinen Plan zu ändern. Wenn das Tier wiederholt (die gleichen) Fehler macht, dann hat es schlicht keine andere Lösung. Für die Lösung ist immer der Trainer verantwortlich – nie das Tier!