Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2024 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!

Wie in jedem Lebensbereich gibt es auch im Pferdesektor sowohl extreme als auch weniger strikt festgelegte Richtungen. Während für die einen Druck im Training dazugehört, arbeiten andere mit einer lockereren Herangehensweise; wiederum andere lehnen Druck weitestgehend ab. Dabei ist gerade die Definition von „Druck“ eine Grundsatzdiskussion wert. Für den einen beginnt Druck erst, wenn das Pferd deutliche Abwehrreaktionen zeigt – wobei auch diese in ihrer „Deutlichkeit“ diskutabel sind. Für jemand anderen ist bereits das „Handanlegen“ Druck. 

Vorurteile gegenüber Clickertrainern

Clickertrainern – egal ob berufliche Trainer oder Pferdebesitzer – wird oft vorgeworfen, nicht offen genug für andere Trainingsmethoden zu sein und alles zu schwarz-weiß zu sehen. Im Internet gibt es zahlreiche Blogartikel, die für mehr Offenheit plädieren. Doch wie offen muss man wirklich sein, und kann es nicht auch positiv sein, sich festzulegen? Warum sind manche Menschen so sehr auf ihre „Meinung“ erpicht, und muss die eigene Meinung wirklich immer infrage gestellt werden? Ich habe den Eindruck, dass gerade Clickertrainer gerne als „engstirnig“ bezeichnet werden, weil sie für sich einen sehr strikten Weg gewählt haben und damit den einen oder anderen vor den Kopf stoßen.

Der Weg zum Clickertraining

Die meisten „Vollzeit-Clickerer“ haben irgendwann erkannt, dass es neben dem konventionellen Training über Druckaufbau und -nachlassen noch andere Möglichkeiten geben muss. Vielleicht war es das Pferd, das nicht motiviert mitarbeiten wollte, oder ein spezifisches Problem, bei dem man nicht weiterkam. Oder, wie es häufig bei Zirkuslektionen der Fall ist, wollte man einfach mal etwas anderes ausprobieren, und es erschien bei dieser Übung sinnvoll. Sehr wahrscheinlich lag es auch ein wenig an den eigenen Fähigkeiten, das Pferd entsprechend auszubilden, ohne das jetzt wertend zu meinen. Denn ich bin überzeugt davon, dass man viele Pferde durchaus auch mit fairer, konventioneller Ausbildung weit bringen kann und dass nicht jeder, der mit negativer Verstärkung arbeitet, auch gleich ein schlechter Trainer ist (!), auch wenn es eine völlig andere Herangehensweise ist. Hat man jedoch erst einmal begonnen, sich mit dem Training mit positiver Verstärkung auseinanderzusetzen, seine eigenen Fähigkeiten zu schulen und zu erkennen, was alles auch ohne Druck bzw. dessen Nachlassen als Verstärker möglich ist, kommt man schnell ins Grübeln.

Neue Perspektiven zu „Druck“

Häufig wird das eigene Verständnis von „Druck“ komplett über den Haufen geworfen, wenn man beginnt zu verstehen, dass weniger Druck nicht zwangsläufig auch „mehr Freiwilligkeit“ bedeutet. Druck gehörte für die meisten Clickertrainer lange zum Alltag, und man empfand ihn so lange nicht als „negativ“, bis man sich mit anderen Trainingsmethoden und dem Lernverhalten auseinandergesetzt hat. So kommt es nicht selten dazu, dass man beginnt, die positive Verstärkung und Belohnung auch im üblichen Umgang und in der Ausbildung des Pferdes einzusetzen. Dabei ist die Entscheidung, mit positiver Verstärkung zu arbeiten, eine sehr weitreichende, wenn man sie als „Vollzeitjob“ sieht. Sie erfordert anfangs einige Zugeständnisse im Umgang mit dem Pferd und ein großes Umdenken. Und sie erfordert eine sehr spezielle Sicht auf das Thema „Druck“, die sehr weit weg vom konventionellen Verständnis von Druck in der Pferdewelt ist.

Forderungen nach Toleranz und individuellem Training

Oft wird man dann belächelt, weil das Wissen um positive Verstärkung noch immer nicht so weit verbreitet ist und der „konventionelle“ Umgang über negative Verstärkung sehr präsent, auch wenn man in den letzten Jahren ein Auseinandersetzen mit der Thematik beobachten kann, nicht zuletzt auch durch den Druck der nicht reitenden Öffentlichkeit und viele reiterliche „Skandale“ im großen Sport. Dennoch wird von 

Von konventionellen Trainern (konventionell ist in diesem Zusammenhang nicht abwertend gemeint!) wird dann Toleranz für die Arbeit mit Druck gefordert und einem vorgeworfen, nicht über den Tellerrand zu schauen. Das Pferd sei ein Individuum, und damit sei auch die Wahl der Trainingsmethode individuell zu sehen. Das Pferd jedoch bringt alle Quadranten der operanten Konditionierung mit – es kann über Druckaufbau und -nachlassen lernen, und es kann ohne Druckaufbau über (Futter-)Belohnung lernen. Richtig aufgebaut, kann beides funktionieren. Der entscheidende Faktor ist hierbei der Mensch, der für sich und damit auch für sein Pferd entscheidet, wie er vorgeht. Wer nicht hinter seiner Trainingsmethode steht, wird auf lange Sicht auch keine guten Erfolge erzielen. Wie immer setzt auch hier der Mensch die Grenzen, weniger das Pferd. Nur weil mir als Trainer die Fähigkeiten fehlen oder ich kein Interesse daran habe, mit diesem Pferd ein Ziel über positive Verstärkung (oder auch negative Verstärkung) zu erreichen, bedeutet das nicht, dass dies nicht geht! Es sagt etwas über die Fähigkeiten und Grundsätze des Menschen aus, nicht über die Grenzen der Methode oder gar des Tieres.

Signale funktionieren durch Konsequenzen

Positive Verstärkung: Eine bewusste Entscheidung

Wer die Arbeit mit positiver Verstärkung dem konventionellen Training vorzieht, trifft diese Entscheidung oft aus moralischen oder ethischen Gründen – nicht zwingend, weil sie effektiver ist oder besser für das eigene Pferd funktioniert. Diese Entscheidung beinhaltet auch, dass andere Trainingsmethoden indirekt bewertet werden. Denn wer sagt, dass er mit positiver Verstärkung arbeitet, lehnt in der Regel die Arbeit mit Druck ab. Andernfalls würde er sich diese Mühe vermutlich nicht machen.

Der Begriff „negative Verstärkung“ stammt aus der Mathematik: „Negativ“ bedeutet hier, dass etwas entfernt wird, um ein Verhalten zu belohnen (z. B. das Nachlassen von Druck). Damit dieses Konzept funktioniert, muss der Reiz allerdings so deutlich sein, dass sein Wegnehmen tatsächlich als Belohnung empfunden wird – und das hat eine moralische Komponente, auch wenn es sachlich betrachtet wird.

Ein Vergleich: Ethik im Training und im Alltag

Ein anschauliches Beispiel bietet das Vegetarierdasein: Der Verzicht auf Fleisch oder tierische Produkte ist meist eine moralisch-ethische Entscheidung und seltener eine „praktische“. Wer sich dafür entscheidet, akzeptiert möglicherweise, dass andere Menschen Fleisch essen, wird aber nicht täglich überlegen, ob er „ausnahmsweise“ doch ein Steak isst. Diese Entscheidung hat mit der eigenen Grundeinstellung zu tun, nicht mit Intoleranz gegenüber Fleischessern.

Genauso verhält es sich mit der Entscheidung, auf Druck im Training zu verzichten. Es ist eine bewusste Entscheidung, die Grenzen setzt und für die sich jeder individuell entscheidet. Diese Haltung ist auch im sozialen Umgang relevant: Wenn ein Vegetarier nicht mit Freunden in ein Steakhouse gehen möchte, bedeutet das nicht, dass er seine Freunde nicht respektiert, sondern dass er sich an seine eigenen Grenzen hält.

Herausforderungen im Training

Für mein eigenes Training habe ich nach und nach beschlossen, mich ganz auf positive Verstärkung zu konzentrieren. Das bedeutet nicht, dass ich Druck vollständig ablehne, sondern dass ich sehr bewusst entscheide, ob ich ihn einsetze – und nur dann, wenn es wirklich notwendig und vertretbar ist. 

Trainer, die mit positiver Verstärkung arbeiten, stehen oft vor dem Konflikt, sich auf andere Trainingsmethoden einzustellen, besonders wenn sie mit Pferden arbeiten, die konventionell trainiert wurden. Während ein Trainer mit negativer Verstärkung oft ohne positive Verstärkung auskommt, muss ein Trainer mit positiver Verstärkung auch in der Lage sein, alternative Methoden anzuwenden, wenn es die Situation erfordert.

Die Entscheidung, mit positiver Verstärkung zu arbeiten, ist für mich auch eine moralische Verpflichtung. Als Trainer möchte ich mein Wissen weitergeben und auf die Vorteile dieser Methode hinweisen. Wissenschaftlich fundierte Fakten und persönliche Erfahrungen bilden die Grundlage meiner Überzeugung. Gleichzeitig respektiere ich, dass andere Trainer mit anderen Methoden arbeiten – auch wenn ich eine andere Meinung vertrete.

Authentizität im Umgang mit dem Pferd

Abschließend ist es wichtig, sich immer wieder selbst zu reflektieren und hinter dem zu stehen, was man tut. Pferde spüren, wenn wir nicht authentisch sind oder nur stur einer Methode folgen. Wer sich nicht ernsthaft mit seinen Entscheidungen auseinandersetzt, verliert einen wichtigen Verstärker: die eigene Ehrlichkeit und das Vertrauen in das, was man tut. Unser Ziel sollte es immer sein, das Beste für unsere Pferde zu erreichen – auf eine Weise, die sowohl unseren Überzeugungen als auch den Bedürfnissen des Tieres gerecht wird.

Zusammenfassung / Wichtige Erkenntnisse

 

  1. Druck ist, was das Pferd als Druck empfindet: Druck entsteht dann, wenn ein Reiz vom Pferd als unangenehm wahrgenommen wird und es versucht, diesen zu vermeiden – ein sogenannter aversiver Reiz. Die wissenschaftliche Definition von Druck unterscheidet sich oft von den subjektiven Empfindungen des Menschen, was zu Missverständnissen führen kann.
  2. Vorurteile gegen Clickertraining: Clickertrainer werden oft als „engstirnig“ kritisiert, weil sie konsequent einen anderen Weg gehen. Die Wahl der Trainingsmethode spiegelt jedoch oft die persönliche Grundeinstellung wider. Wie bei anderen ethischen Entscheidungen – etwa dem Vegetarismus – geht es weniger um Toleranz gegenüber anderen, sondern um die eigene Haltung und deren Konsequenzen.
  3. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind gefragt: Trainer, die mit positiver Verstärkung arbeiten, müssen flexibel genug sein, um auch konventionell trainierte Pferde zu betreuen, ohne ihre eigenen Grundsätze zu kompromittieren.
  4. Authentizität ist entscheidend: Pferde spüren, wenn der Mensch nicht hinter seiner Methode steht. Reflektion und Ehrlichkeit im Training sind daher essenziell, um Vertrauen aufzubauen und langfristig erfolgreich zu sein.
Signale funktionieren durch Konsequenzen

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