Dieser Artikel wurde am 9. August 2020 aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht!
Einer der häufigsten Probleme, die gerade zu Beginn des Trainings mit positiver Verstärkung auftreten, ist FrustrationFrustration ist eine emotionale Reaktion, die auftritt, wenn ein Lebewesen daran gehindert wird, ein erwartetes Ziel zu erreichen oder eine gewohnte Belohnung zu erhalten. Sie entsteht besonders dann, wenn ein... » Weiterlesen und dadurch bedingter StressStress ist eine körperliche und emotionale Reaktion auf eine Herausforderung, Belastung oder Bedrohung. Er entsteht, wenn ein Lebewesen eine Situation als herausfordernd oder überwältigend wahrnimmt und sich anpassen muss. Stress... » Weiterlesen. Häufig spielen unerfüllte Grundbedürfnisse hierbei eine große Rolle. Am häufigsten ist meiner Erfahrung nach Hunger. Ein Pferd, das hungrig ist, lässt sich schnell frustrieren. Gerade zu Beginn, wenn die KriterienEin Kriterium ist eine klare, einzelne Anforderung, die ein Tier in einem Training erfüllen muss, um eine Verstärkung zu erhalten. Es definiert eine präzise Eigenschaft des erwünschten Verhaltens, beispielsweise die... » Weiterlesen noch nicht klar sind und das Pferd die Grundregeln des Trainings noch begreifen muss, wird das Training so extrem erschwert. Und selbst wenn die Kriterien für die BelohnungEine Belohnung ist eine Konsequenz, die vom Tier als angenehm empfunden wird, aber nicht zwingend dazu führt, dass das vorherige Verhalten häufiger auftritt. Umgangssprachlich wird Belohnung oft mit Verstärker gleichgesetzt-... » Weiterlesen klar sind, wird es große Probleme haben, Gelassenheit und Ruhe im Training zu entwickeln, dabei ist Entspannung einer der wichtigsten Dinge im Training. Nicht selten kommt es dabei zu ÜbersprungshandlungenEine Übersprungshandlung (displacement behavior) ist eine scheinbar unpassende oder sinnlose Verhaltensweise, die ein Pferd zeigt, wenn es sich in einer Konfliktsituation befindet und nicht weiß, wie es reagieren soll. Sie... » Weiterlesen, wie zum Beispiel „schnappen“. Sehr oft zeigt es sich auch in der Art und Weise, wie das Pferd das Futter entgegennimmt oder im generellen Drang, dem Menschen möglichst „auf die Pelle zu rücken“. Ist der Mensch dann noch Anfänger, heißt es sehr schnell, „positive VerstärkungPositive Verstärkung (R+) ist eine Methode der operanten Konditionierung, bei der ein angenehmer Reiz hinzugefügt wird, um die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens zu erhöhen. Das Tier lernt, dass ein bestimmtes... » Weiterlesen ist für mein Pferd nicht geeignet“ oder der Mensch ist schlichtweg überfordert und gibt auf.
Auch Probleme mit der Signalkontrolle, wie ständiges Abspulen von Lektionen, werden stark von Hunger beeinflusst. Dabei wird dies oft als Übermotivation missverstanden und so die „Not“ des Pferdes nicht erkannt. Für das Pferd ergibt es jedoch schlichtweg keinen Sinn, permanent VerhaltenVerhalten bezeichnet alle äußeren und inneren Aktivitäten eines Lebewesens, die durch Reize aus der Umwelt oder aus dem eigenen Körper ausgelöst werden. Es umfasst sowohl bewusste als auch unbewusste Handlungen... » Weiterlesen zu zeigen, wenn dies konsequent nicht zu einer Belohnung führt. Der Organismus ist darauf ausgelegt, nur „sinnvolles“ Verhalten zu zeigen, welches entsprechende KonsequenzenEine Konsequenz ist das Ergebnis oder die Folge eines Verhaltens, das sich direkt auf zukünftiges Verhalten auswirken kann. Konsequenzen spielen eine zentrale Rolle in der operanten Konditionierung, da sie darüber... » Weiterlesen mit sich bringt. Sind diese nicht gegeben, wird das Verhalten weniger gezeigt oder gänzlich verschwinden. Man kann also von einem eher „unnatürlichen“ Vorgang sprechen, wenn das Pferd trotz aller Bemühungen weiterhin Verhalten abspult.
Es ist wichtig, bei Problemen im Training einen genauen Blick auf die Grundbedürfnisse des Pferdes zu werfen, auch, wenn man denkt, dass hier kein Defizit vorliegt. Oft geben wir schon unser Bestes, um die Haltungsbedingungen zu optimieren und ziehen dies gar nicht in Betracht. Dabei ist gerade die Fütterung von Pferden mit unterschiedlichen Bedürfnissen innerhalb einer Gruppe problematisch, da individuelle Lösungen schwierig sind. Oder die Haltung entspricht grundsätzlich den Bedürfnissen des Pferdes und die Fütterung muss reguliert werden. Dann werden oft „SlowFeeder“, wie Heunetze oder „Fressbremsen“ als ausschließliche Futterquelle genutzt, die ein nicht zu unterschätzendes Stresspotential mit sich bringen eingesetzt. Durch engmaschigen Netze oder kleinen Einlässe kaut das Pferd weniger als der Organismus benötigt, um ein Sättigungsgefühl herzustellen. Oder das Pferd bekommt tatsächlich zu wenig Nahrhaftes, sodass es weiterhin hunger hat. Auch eine erhöhte Ausschüttung von Stresshormonen, produziert durch Frustration beim Fressen, beeinträchtigt das Training, weil Stresshormone relativ lange benötigt werden, um abgebaut zu werden und sich so schnell zu einem grundlegenden Problem entwickeln.
Manchmal gibt es keine andere Option, als die Reduktion des Futters oder das Nutzen eines SlowFeeders. Hier sollte dann ein guter Kompromiss gefunden werden, denn wenn die Probleme sich im Training zeigen, so stellen sie im Leben des Pferdes ebenfalls eine große Beeinträchtigung und damit auch ein großes Gesundheitsrisiko dar. Chronischer Stress wirkt sich auf den ganzen Organismus sowohl körperlich, als auch psychisch aus und kann schwerwiegende Folgen haben. Manchmal gibt es nicht die optimale Lösung und man muss für sich selbst entscheiden, welche Dinge man in Kauf nimmt, ob zum Beispiel ein leicht übergewichtiges Pferd ein geringeres Problem ist als ein permanent gestresstes, weil gefrustetes Pferd. Manchmal kommt man tatsächlich auch nicht um eine Änderung der Haltung durch zum Beispiel Umzug herum, wenn die Probleme nicht anders zu lösen sind und kein Kompromiss gefunden werden kann.
Auch der Wechsel zwischen Training und Pausen sollte direkt zu Anfang mit aufgenommen werden, da das Training mit positiver Verstärkung für das Pferd – und auch für den Menschen – anstrengend ist und die Konzentration stark beansprucht. Die Sessions sollten zu Beginn nur wenige Minuten betragen und die Pausen mindestens genauso lang sein, wie die Trainingseinheiten selbst. Um weiteren Stress zu reduzieren, sollte das Pferd außerdem Heu/Rauhfutter und Wasser zur freien Verfügung haben und die WertigkeitDie Wertigkeit beschreibt, wie attraktiv oder bedeutungsvoll eine Belohnung oder ein Verstärker für das Tier ist. Ein Verstärker mit hoher Wertigkeit sorgt für mehr Motivation, während ein Verstärker mit niedriger... » Weiterlesen der Belohnung möglichst nur geringfügig vom zur Verfügung gestellten Futter abweichen, damit das Pferd bei zu viel Stress die Möglichkeit hat, dies durch Hinwenden zum Rauhfutter anzuzeigen, statt sich aufgrund der Belohnung in den Frust zu steigern. So behält das Pferd im Training die Wahl und die KontrolleControl (Kontrolle) ist ein fundamentales Grundbedürfnis, da sie einem Individuum die Möglichkeit gibt, aktiv Einfluss auf seine Umwelt und sein eigenes Verhalten zu nehmen. Kontrolle bedeutet, dass Handlungen vorhersehbare und... » Weiterlesen und fühlt sich nicht emotional unter DruckDruck bezeichnet im Pferdetraining einen Reiz, der das Pferd zu einer bestimmten Reaktion veranlassen soll. Dieser kann physisch (z. B. Schenkeldruck oder Zügelzug) oder psychisch sein. Druck basiert oft auf... » Weiterlesen gesetzt, was für eine entspannte Trainingsatmosphäre wichtig ist.
Selbstverständlich können nicht nur Defizite in der Fütterung für Stress sorgen. Auch nicht erfüllte Grundbedürfnisse wie Bewegung oder ein unbefriedigter Spieltrieb durch eine ungünstige Herdenkonstellation beeinflussen den Stressfaktor. Genauso wie bei uns Menschen ist die Grundlage für ein positives Trainingserlebnis die Erfüllung der Grundbedürfnisse.