Ein Label ist eine pauschale Bezeichnung, die einem Pferd oder seinem VerhaltenVerhalten bezeichnet alle äußeren und inneren Aktivitäten eines Lebewesens, die durch Reize aus der Umwelt oder aus dem eigenen Körper ausgelöst werden. Es umfasst sowohl bewusste als auch unbewusste Handlungen... » Weiterlesen zugewiesen wird, ohne die genauen Ursachen oder den Kontext zu berücksichtigen. Häufig verwendete Begriffe sind beispielsweise „stur“, „dominant“, „frech“ oder „ängstlich“. Solche Labels erscheinen oft als einfache Erklärung für ein Verhalten, können aber problematisch sein, weil sie nicht beschreiben, warum das Pferd sich so verhält oder was man daran ändern kann.
Labels ersetzen eine genaue Analyse des Verhaltens und führen dazu, dass wir unser Pferd in eine Schublade stecken, anstatt seine individuellen BedürfnisseEin Bedürfnis ist ein grundlegendes Verlangen oder eine Notwendigkeit, die erfüllt werden muss, um das körperliche oder emotionale Wohlbefinden eines Lebewesens zu erhalten. Bedürfnisse können biologisch (primäre Bedürfnisse) oder situationsabhängig... » Weiterlesen zu erkennen. Wenn ein Pferd als „dominant“ bezeichnet wird, bedeutet das oft nur, dass es sich in bestimmten Situationen gegen den Menschen durchsetzt. Doch warum tut es das? Hat es gelernt, dass es sich so behaupten muss? Gibt es Missverständnisse in der Kommunikation? Ein Label hilft nicht, diese Fragen zu beantworten.
Ein weiteres Problem ist, dass Labels unser Denken beeinflussen. Wer sein Pferd als „stur“ oder „frech“ einordnet, behandelt es oft unbewusst strenger oder erwartet von vornherein Widerstand. Dadurch kann es passieren, dass wir nicht mehr offen für andere Erklärungen sind, zum Beispiel:
- Unsicherheit oder Überforderung
- Missverständnisse in der Kommunikation
- Schmerzen oder körperliche Einschränkungen
- Fehlende oder unklare SignaleEin Signal ist ein Zeichen oder Reiz, der für das Tier eine Bedeutung hat und ein Verhalten auslöst oder einen emotionalen Status hervorruft. Es zeigt dem Tier an, dass es... » Weiterlesen seitens des Menschen
Labels können so zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Wer denkt, dass sein Pferd „schwierig“ ist, neigt eher dazu, mit DruckDruck bezeichnet im Pferdetraining einen Reiz, der das Pferd zu einer bestimmten Reaktion veranlassen soll. Dieser kann physisch (z. B. Schenkeldruck oder Zügelzug) oder psychisch sein. Druck basiert oft auf... » Weiterlesen zu arbeiten, was zu mehr Abwehrreaktionen führt. Das Verhalten des Pferdes wird dann nicht als logische Reaktion auf die Trainingsweise verstanden, sondern scheinbar durch das Label bestätigt.
Statt Labels zu verwenden, sollte das Verhalten genau beobachtet und beschrieben werden. Anstelle von „Mein Pferd ist dominant“ könnte man sagen: „Mein Pferd weicht nicht zur Seite, wenn ich es darum bitte.“ Diese konkrete Beschreibung erlaubt es, nach der Ursache zu suchen. Wichtige Fragen dabei sind:
- Versteht das Pferd die Anfrage nicht?
- Fühlt es sich unsicher oder überfordert?
- Hat es Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen?
- Hat es gelernt, auf eine andere Weise zu reagieren?
Ein fairer und lösungsorientierter Umgang mit dem Pferd setzt voraus, dass man sich bewusst macht, welche Begriffe man benutzt und wie sie das eigene Verhalten beeinflussen. Wer auf Labels verzichtet, schafft die Grundlage für eine offene und neugierige Herangehensweise an das Training. So wird nicht nur die Verständigung mit dem Pferd verbessert, sondern auch die Beziehung nachhaltig gestärkt.
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