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Ein Label ist eine pauschale Bezeichnung, die einem Pferd oder seinem Verhalten zugewiesen wird, ohne die genauen Ursachen oder den Kontext zu berücksichtigen. Häufig verwendete Begriffe sind beispielsweise „stur“, „dominant“, „frech“ oder „ängstlich“. Solche Labels erscheinen oft als einfache Erklärung für ein Verhalten, können aber problematisch sein, weil sie nicht beschreiben, warum das Pferd sich so verhält oder was man daran ändern kann.

Labels ersetzen eine genaue Analyse des Verhaltens und führen dazu, dass wir unser Pferd in eine Schublade stecken, anstatt seine individuellen Bedürfnisse zu erkennen. Wenn ein Pferd als „dominant“ bezeichnet wird, bedeutet das oft nur, dass es sich in bestimmten Situationen gegen den Menschen durchsetzt. Doch warum tut es das? Hat es gelernt, dass es sich so behaupten muss? Gibt es Missverständnisse in der Kommunikation? Ein Label hilft nicht, diese Fragen zu beantworten.

Ein weiteres Problem ist, dass Labels unser Denken beeinflussen. Wer sein Pferd als „stur“ oder „frech“ einordnet, behandelt es oft unbewusst strenger oder erwartet von vornherein Widerstand. Dadurch kann es passieren, dass wir nicht mehr offen für andere Erklärungen sind, zum Beispiel:

  • Unsicherheit oder Überforderung
  • Missverständnisse in der Kommunikation
  • Schmerzen oder körperliche Einschränkungen
  • Fehlende oder unklare Signale seitens des Menschen

Labels können so zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Wer denkt, dass sein Pferd „schwierig“ ist, neigt eher dazu, mit Druck zu arbeiten, was zu mehr Abwehrreaktionen führt. Das Verhalten des Pferdes wird dann nicht als logische Reaktion auf die Trainingsweise verstanden, sondern scheinbar durch das Label bestätigt.

Statt Labels zu verwenden, sollte das Verhalten genau beobachtet und beschrieben werden. Anstelle von „Mein Pferd ist dominant“ könnte man sagen: „Mein Pferd weicht nicht zur Seite, wenn ich es darum bitte.“ Diese konkrete Beschreibung erlaubt es, nach der Ursache zu suchen. Wichtige Fragen dabei sind:

  • Versteht das Pferd die Anfrage nicht?
  • Fühlt es sich unsicher oder überfordert?
  • Hat es Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen?
  • Hat es gelernt, auf eine andere Weise zu reagieren?

Ein fairer und lösungsorientierter Umgang mit dem Pferd setzt voraus, dass man sich bewusst macht, welche Begriffe man benutzt und wie sie das eigene Verhalten beeinflussen. Wer auf Labels verzichtet, schafft die Grundlage für eine offene und neugierige Herangehensweise an das Training. So wird nicht nur die Verständigung mit dem Pferd verbessert, sondern auch die Beziehung nachhaltig gestärkt.